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Berlin Fidschitown (German Edition)

Berlin Fidschitown (German Edition)

Titel: Berlin Fidschitown (German Edition)
Autoren: D B Blettenberg
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ab, dann entschied er sich gegen die Paradeuniform und für den Kampfanzug, den er trug.
    Kerzen, Öllampen und Räucherstäbchen brannten, und an der Betondecke hingen Weihrauchspiralen, die er zum besonderen Anlass an den dafür vorgesehenen Haken hatte aufhängen lassen. Flach zusammengerollt waren sie ihm als Kind wie riesige Kopien der Lakritzschnecken vorgekommen, die ihm sein Lieblingsonkel in jenen Tagen aus dem Franzosenladen mitzubringen pflegte. Einmal aufgehängt, zog das Eigengewicht die Spiralen zu luftigen Kegeln auseinander, deren glimmendes Ende sich unendlich langsam himmelwärts fraß und dabei weißen Rauch verströmte, der nach Sandelholz duftete. Mochten seine Landsleute Jasmin, Rose oder eine andere der zahleichen Geruchsvarianten vorziehen. Er zog Sandelholz jedem anderen Duft vor.
    Er zog seine Armeepistole aus der Koppeltasche, überprüfte die Waffe und steckte sie fertig geladen zurück, ohne die Lasche zu schließen. Danach kniete er sich zur Andacht vor den Altar. Als er sich wieder erhob, sah er noch einmal kurz auf Buddha und Kruzifix, bevor er sich endgültig ganz dem Anblick der südvietnamesischen Flagge hingab, die über dem Diwan in der Luft zu schweben schien.
    Die Hand schon an der Waffe, kam ihm ein Gedanke. Er durchwühlte die gestapelten Videokassetten bis er gefunden hatte, was ihm fehlte. Er legte das Band ein, und als die Anfangstitel von „Indochine“ auf dem Bildschirm erschienen, drehte er den Ton laut, um die Wirkung der Filmmusik voll auszuschöpfen.
    Erneut starrte er auf die Nationalfarben des Landes, das ihm endgültig verloren gegangen war, nahm Haltung an und salutierte zum letzten Mal.

93
    Alles, wonach sich Romy Asbach sehnte, war ein Vollbad, angereichert mit Blütenkonzentrat.
    Stattdessen betete sie, der Motor ihres Opels möge beim vierten Startversuch endlich anspringen. Er tat ihr den Gefallen, und sie atmete durch und ließ ihm etwas Zeit, warm zu laufen. Sie musste sowieso dringend nachdenken. Was jetzt? Wohin? Bis hierhin war es gut für sie gelaufen. Die beiden Wachposten hatten sich im Inneren der Villa hilflos wie Teddybären bewegt. Sie hatte die Hysterische gegeben und Großvaters Tod als Schockeffekt voll genutzt. Die Flex, die zwischen anderen Werkzeugen in der Garage herumlag, war beim Entfernen der Fesseln hilfreich gewesen, auch wenn sie sich damit um ein Haar die Füße amputiert hatte.
    Und jetzt?
    Klar war, sie musste Torns Spur wieder aufnehmen. Aber wo suchen? Auf keinen Fall schon wieder unter der Erde. Nicht nur, weil sie keine Rettungstropfen mehr hatte. Sie brauchte eine längere Pause, bevor sie den nächsten Tunnel oder Bunker betrat. Was sie auch als Nächstes tat, es musste sich an der frischen Luft abspielen – auch wenn sie bitterkalt war.

94
    Quinn stand neben dem Captain, als der die Kapitulation entgegennahm.
    Die beiden Gestalten am Ende des Waisentunnels waren im blauen Licht eines Notaustiegs nur schemenhaft auszumachen. Das weiße Tuch, das sie schwenkten, war hingegen deutlich zu erkennen. Sie riefen etwas in ihrer Muttersprache. Danach herrschte für einen Moment Stille, bevor der Captain, für beide Parteien gut hörbar, freies Geleit anordnete. Kaum war der Widerhall des Befehls in der Betonröhre verklungen, bewegten sich die Männer mit dem Friedenszeichen behutsam vorwärts. Sie waren unbewaffnet und näherten sich dem Sieger in Demut.
    Nach einer kurzen Befragung der beiden Mildtätigen schickte der Captain den Mann mit der Froschhand mit zwei weiteren seiner Männer und einem der Besiegten als Vorhut ins Hauptquartier des Gegners. Quinn folgte dem Captain, als er dem Voraustrupp wenig später mit dem Rest seiner Männer und dem zweiten Gefangenen folgte.
    Sie fanden die Leiche des Anführers vor dem Diwan in seinem pompösen Wohnraum. Auf einem Bildschirm flimmerte ein Spielfilm. Quinn erkannte Catherine Deneuve, die in Begleitung eines jungen Asiaten auf einem Dampfer über einen See fuhr. Der Captain griff zur Fernbedienung und stellte den Ton leiser. Der Oberste Mildtätige hatte sich mit seiner Pistole in den Mund geschossen, und dabei seinen Hinterkopf bis an die Wand über dem Hausaltar geblasen. Ein Film aus Blut, Knochenbrei und Gehirnmasse klebte fein verteilt auf einem Buddha und einem Kruzifix. Ein atemraubender Duft hing im Raum.
    „Riecht wie im Tempel.“ Quinn musterte die Weihrauchspiralen, die von der Decke hingen.
    Der Captain nickte. „Sandelholz.“
    Quinn erinnerte sich an die
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