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Berlin blutrot

Berlin blutrot

Titel: Berlin blutrot
Autoren: u.a. Sebastian Fitzek
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Nachdem er die Wohnung seines Vermieters in den vergangenen Wochen vollständig ausgeschlachtet hatte, wollte er weiterziehen, um sein Spiel mit dem nächsten Gutgläubigen zu treiben. In nur zwei Tagen hätte er die Weddinger Wohnung über Nacht verlassen und wäre auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Er hatte es schon oft so gemacht, ernsthafte Konsequenzen waren daraus nie entstanden. Bis heute.
    „Und was wollen Sie gegen mich ausrichten? Ich habe Sie jetzt schon dran wegen Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Nötigung und was meinem Anwalt sonst noch alles einfallen wird. Sie werden mir sogar noch Schmerzensgeld zahlen.“
    Der Fremde lächelte.
    „So lobe ich mir das. Halbtot und nackt auf einem Dach kauern und immer noch Drohungen ausstoßen. Sie sind ein echter Kämpfer.“
    Dann zündete er sich eine weitere Zigarette an und blickte über die Dächer Berlins:
    „Wissen Sie, wo ich am 11. September 2001 gewesen bin? In New York. Ich war live dabei, als die Türme eingestürzt sind. Und wissen Sie, was das Besondere daran war? Ich hätte eigentlich darin gewesen sein sollen. Ich hatte einen Termin im World Trade Center. Genau zu der Zeit, als die Flugzeuge kamen.“
    „Und warum waren Sie dann nicht da?“
    „Schicksal. Ich hatte am Abend davor zu viel getrunken und habe verschlafen. Wissen Sie, was ich dachte, nachdem ich mich vom ersten Schock erholt hatte? Ich dachte: Du bist tot. Das ist deine Chance. Niemand hier kennt dich, und niemand kann jemals deine Leiche identifizieren. Und dann habe ich eine Entscheidung getroffen: Von diesem Tag an einfach nicht mehr zu existieren.“
    Krüger versuchte zu lachen.
    „Tolle Geschichte. Und wie wollen Sie als Toter aus New York zurück nach Berlin gekommen sein?“
    „Über Mexiko. Hat eine Weile gedauert, aber jetzt bin ich ja da. Oder eben auch nicht.“
    Krüger wurde von Minute zu Minute schwächer.
    „Was soll das alles?“, fragte er, dem die seltsame Geschichte des Mannes vollkommen absurd vorkam.
    „Ich hatte sehr viele Probleme damals. Schulden, Scheidung, Gerichte. Und dann war ich plötzlich tot. Von einem Moment auf den anderen. Jetzt habe ich keine Probleme mehr. Im Gegenteil: Ich löse sie.“
    „Was, verdammt, wollen Sie mir erzählen? Dass Sie ein scheiß Auftragskiller sind? Wissen Sie, was so was kostet? Das bin ich nicht wert, denken Sie sich was Besseres aus.“
    „Wo denken Sie hin? Ich bin ein Problemlöser. Wenn jemand ein Problem hat, dann komme ich. Ich bin schnell, effektiv und unkonventionell. Und das Beste: Ich stehe über jedem Gesetz.“
    „Schickt Sie mein Vermieter?“
    „Ich habe ihm zufällig in einer Bar zugehört, wie er einem Freund erzählt hat, dass er Sie nicht aus der Wohnung bekommt. Und dass die Gesetze den Mietnomaden mehr schützen als den Vermieter. Daraufhin habe ich mich dazu gesetzt und ihm meine Dienste angeboten.“
    „Und schon sitzen wir hier“, ergänzte Krüger.
    Der Fremde trank sein Bier aus und steckte die leere Dose wieder in seine Tasche zurück.
    „Gut, dann kommen wir jetzt zum zweiten Teil unserer Wette“, setzte er an.
    „Vergessen Sie 's“, unterbrach Krüger, bevor er erneut anfing zu husten. Das Insektengift hatte seine Lungen offenbar bereits angegriffen. „Aus der Wohnung getrieben haben Sie mich. Aber das Geld können Sie sich abschminken. Dann soll er mich doch noch mal verklagen. Sie haben Ihren Job echt gut gemacht, wirklich, aber einschüchtern können Sie mich genau so wenig wie die ganzen anderen Heinis. Von mir bekommen Sie keinen Cent.“
    Der Fremde nickte.
    „Das höre ich oft. Von Vätern, die keinen Unterhalt zahlen. Oder von Heiratsschwindlern, die ihre Frauen um ihre Ersparnisse betrogen haben. Immobilienmakler sind auch ganz großartige Menschen. Sie würden sich wundern, was es einem Wohnungskäufer wert ist, diese Schweine für ihre überhöhten Provisionen zu bestrafen. Es gibt so viele Halsabschneider in Berlin. Die ganze Stadt ist voll davon. Schlaue Menschen, die glauben, pfiffiger zu sein als die anderen. Was soll 's, solange es in Berlin Probleme gibt, so lange braucht die Stadt auch einen Löser. Von irgendwas muss schließlich auch ein Toter leben.“
    Dann erhob er sich.
    „Also, kein Geld?“, fasste er zusammen.
    „Nicht in diesem Leben!“, erhielt er zur Antwort.
    „Ich hab 's wenigstens versucht“, erwiderte der Fremde, zuckte mit den Schultern und trat an Krüger heran. „Dann wollen wir
    mal.“
    Er packte den kauernden Mann an den
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