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Berlin blutrot

Berlin blutrot

Titel: Berlin blutrot
Autoren: u.a. Sebastian Fitzek
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aufgereiht waren, die er an diesem Morgen noch in der Wohnung vorgefunden hatte: Drei große Flaschen Insektengift und ein Stück Kernseife.
    Es war dunkel in der Wohnung, obwohl der Tag längst angebrochen war. Die Fenster waren von innen mit massiven Holzplatten verschraubt, die der Fremde so gekonnt befestigt hatte, dass es Krüger trotz zahlreicher Versuche unmöglich gewesen war, sie ohne Werkzeug zu entfernen. Das einzige Fenster, das noch nach draußen führte, war das im Badezimmer.
    Viel zu eng, da passe ich niemals durch, überlegte Krüger, nachdem er es noch einmal genau überprüft hatte.
    Für die Wohnungstür hatte sich der Unbekannte etwas ganz besonderes einfallen lassen: Von außen hatte er die Türklinke mithilfe einer Weidezaunbatterie unter Schwachstrom gesetzt.
    Gerade einmal 12 Volt, doch sie verfehlten ihre Wirkung nicht. Krüger schaffte es kein einziges Mal, den Türknauf lang genug zu berühren, um ihn herumdrehen und den Hausflur erreichen zu können.
    Du wartest da draußen doch sowieso auf mich, also was soll 's … Krüger hatte jede Möglichkeit überprüft, unbemerkt aus seinem Gefängnis zu entkommen. Die Leitungen für das Festnetztelefon waren aus der Wand gerissen, und sein Handy hatte der Fremde nach getaner Arbeit mitgenommen. Schließlich blieb Krüger keine andere Erkenntnis als die, dass er gefangen war. So oder so: Aus seiner Wohnung im obersten Stock gab es kein Entkommen.
    So gewinnst du deine Scheißwette nie.
    Dann setzte die Musik ein.
    Aus der leerstehenden Wohnung, die sich unter der von Krüger befand, erklangen die ersten drei Takte des Flohwalzers.
    „Alle, die nicht Klavier spielen können, spielen den Flohwalzer“, hatte Krügers Musiklehrer in der Schule immer gesagt, wenn sich schon wieder einer der Schüler ans Klavier gesetzt und die unsäglichen ersten Takte des Musikstückes gespielt hatte, das jedes Mal nach spätestens fünf Takten mit einem schrecklichen Fehlgriff geendet war.
    Auch jetzt war es so. Drei Takte, unrhythmisch auf einem verstimmten Klavier gespielt, ein paar grausam dissonante Griffe – dann der unvermeidliche Abbruch. Und gleich noch mal von vorn. Dieses Mal folgte der Abbruch nach zwei Takten. Kurze Pause, dann der nächste Versuch. Wieder und wieder. Unaufhörlich. Zehn Minuten, dreißig Minuten, eine Stunde. Ohne Unterbrechung.
    Psychoterror; du bist echt gut, bewunderte Krüger die Methoden seines Gegenspielers, während er vergeblich nach irgendetwas suchte, mit dem er sich die Ohren verstopfen konnte.
    Nach einer weiteren unsäglichen, scheinbar niemals enden wollenden Stunde des grausamen Klimperns war Krüger endgültig klar, dass die brutalen ersten Takte des Flohwalzers niemals enden würden. Denn er wusste, dass sich in der Wohnung unter ihm gar kein Klavier befand.
    Eine CD, auf Endlosschleife.
    Krüger war klar, dass er seinem Gegner in der jetzigen Situation nichts anderes entgegen halten konnte als ein starkes Nervenkostüm. Sicher, die Musik war geradezu unerträglich und je länger und lauter sie lief, umso weniger gelang es ihm, sie zu ignorieren. Es war dunkel, nichts in der Wohnung konnte ihm Ablenkung verschaffen, und seine Kräfte schwanden mit jeder Minute. Etwas zu essen war nicht vorhanden, und die einzige Wasserquelle, die noch in der Wohnung verblieben war, war das Spülbecken seiner Toilette.
    So schnell gebe ich nicht auf, du Penner. So schnell nicht!, dachte Krüger, entschlossen, sich dem Plan des Fremden mit Willensstärke entgegenzustellen.
    Dann ging die Heizung an.
    Die Heizkörper in der Wohnung waren zwar schon demontiert, doch der Fremde hatte sich auch darauf vorbereitet. Über einen Heizlüfter leitete er drückend warme Luft vom Hausflur her unter dem Türspalt in die Wohnung. Krüger war klar, was nun folgen würde.
    Du machst die Bude so heiß, dass es kein Schwein mehr aushalten kann. Nicht übel. Wirklich gut.
    Seit Stunden suchte Krüger nun schon nach irgendeiner Möglichkeit, seiner Lage zu entkommen. Die Wohnungstür stand unter Strom, die Fenster nach draußen waren vernagelt. Das Fenster im Bad war viel zu eng. Und selbst, wenn er es schaffen würde, sich hindurch zu zwängen, würde er im achten Stock eines Weddinger Mietshauses aus dem Fenster hängen und bestenfalls noch an der Regenrinne nach unten klettern können.
    Um Hilfe rufen war sinnlos. Telefon oder Internet hatte er nicht, und seine Nachbarn waren seit Tagen verreist. Der Fremde hatte einen guten Zeitpunkt für seine Aktion
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