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Berlin blutrot

Berlin blutrot

Titel: Berlin blutrot
Autoren: u.a. Sebastian Fitzek
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Haaren, zog ihn daran hoch, schob ihn kräftig zur Dachkante und überprüfte, dass niemand unten am Haus entlang lief.
    „Warum, verdammt, machen Sie das alles?“, keuchte Krüger, dessen Kräfte nicht mehr ausreichten, um seinem Kontrahenten etwas entgegen zu setzen.
    „Ganz einfach: Ich liebe diese Stadt. Und Typen wie du verseuchen sie mit ihrer Existenz. Ihr seid wie eitrige Pickel, die man nicht so schnell ausdrücken kann, wie sie an anderer Stelle wieder nachwachsen. Bis hierher warst du einfach mein Job. Den Teil ab jetzt mache ich für mich. Guten Flug!“
    Dann stieß er Krüger ohne Vorwarnung mit einem kräftigen Ruck vom Dach. Sein Schrei verhallte in der Tiefe, bevor er mit einem dumpfen Schlag auf dem Asphalt aufprallte.
    Dann griff der Fremde in aller Ruhe nach Krügers Bierdose, steckte sie ebenfalls wieder ein und ging zurück zur Luke. Er hatte nicht viele Spuren zu verwischen. Während noch immer der Flohwalzer von der Musikanlage her tönte, sagte er leise zu sich selbst:
    „Diese blöde New-York-Geschichte glaubt mir kein Mensch. Ich muss mir echt mal was Besseres einfallen lassen.“

Eingetaucht
    Oliver Bottini
    Das mit dem Psychiater, das war ein Rat von Holg. Geh mal zum Psychiater, hatte er ungefähr ein Jahr vor dem Exitus gesagt.
    Erleichtert die Seele, man kommt mit sich ins Reine, weißt du. All die toten Pappnasen, beim Psychiater kann man sich die von der Seele reden, und das ist dann wie neu anfangen.
    Ich will nicht neu anfangen, Holg, hatte ich gesagt, hab einen Horror vor neu anfangen, und auf meine Scheißseele passen noch jede Menge Pappnasen.
    Ich mein ja nur, hatte Holg gesagt, wenn 's mal so weit ist, geh zum Psychiater. Darfst nur nicht vergessen, ihn hinterher auszuknipsen, vorgetäuschter Selbstmord ist gut. Wenn sich so ein Psychiater in der Badewanne ertränkt oder die Pulsadern aufschneidet, stellt keiner Fragen. Ist doch klar, dass die all die kaputten Mandanten nicht ewig ertragen, irgendwann geht jeder Psychiater in die Wanne.
    Und, hatte ich gesagt, wie viele Psychiater hast du schon ins Wasser gelegt?
    Ach, so einige, hatte Holg gesagt, und ich hatte gesagt:
    Erklärt die hohe Selbstmordrate bei Psychiatern, und wir hatten gelacht.
    Hätte ich mal lieber genauer hingehört stattdessen. Ein Jahr später wurde Holg beim BKA vorstellig und sang sich all das von der Seele, was seine Psychiater drauf gelassen hatten, und ich musste ihn ausknipsen.
    Aber das ist eine andere Geschichte.
    Jedenfalls, das mit dem Psychiater, das war ein Rat von Holg.
    „Ich bin kein Psychiater“, sagte mein Psychiater.
    Ich tastete nach dem Hattori HD-11 Carving 240 Millimeter-Messer. „Nein?“
    „Ich bin Psychoanalytiker, Psychotherapeut, Verhaltenstherapeut und Familientherapeut, außerdem Familienmediator.“
    „Scheißangeber“, sagte ich. „Profineurose, was?“
    Mein Psychiater schwieg. Er hatte einen grauen Vollbart und lange graue Haare und war um die Sechzig, und an seinem grauen Gesicht konnte man erkennen, dass er mit der Welt fertig war. Er sah aus, als hätte er 1995 zum letzten Mal durchgeschlafen und sich am liebsten auf seine beschissene Couch gelegt und bis Ostern geschnarcht. Der Kerl war weniger ein Mensch als ein fusseliges Relikt aus den 70ern, ein ranzig gewordenes 70er- Jahre-Weichei, aus jedem Scheißbarthaar troff ihm Sanftmut- und Verständnisglibber auf die Strickjacke.
    „Friseur wär mal fällig“, sagte ich. „Sieht scheiße aus.“
    Er lächelte, deutete auf die Couch. „Wollen Sie jetzt?“
    „Hab vor sechzehn Jahren mit dem Liegen aufgehört, mein Problem wird im Sitzen gelöst, klar?“
    Der Vollbarturwald bewegte sich leicht, ein Ton kam nicht raus.
    „Reden Sie“, sagte ich.
    Er schwieg.
    „Ich hör nichts.“
    „Ich habe nichts gesagt.“
    „Na, dann sagen Sie was.“
    Er schwieg.
    „Wie wollen Sie mein beschissenes Problem lösen, wenn Sie das Maul nicht aufbekommen?“
    Die trüben Kifferaugen starrten mich an, als hielten sie mich für eine strippende Nonne. In Zeitlupe nahm er ein Notizheft vom Tisch neben sich und begann zu schreiben. Quietschquietsch, machte der 70er-Jahre-Füllfederhalter, als hätte man einem Eunuchen eine rostige Drahtschlinge um den Hals gelegt. Was für ein beschissener Einfall hierherzukommen, dachte ich, leg den Schmuddelgreis gleich in die Wanne und ruf die Telefonseelsorge an, die quatschen wenigstens.
    Das Problem war nur: Der hatte keine Wanne. Hier in der Kanzlei Handwaschbecken und Klo, oben in
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