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Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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unter ihnen bewegen, er braucht in keine dunklen Höfe zu kriechen. Ja, dieser Mann – wir wollen ihn Franz Karl Biberkopf nennen, um ihn von dem ersten zu unterscheiden, Franz hat bei der Taufe auch den zweiten Namen bekommen, nach seinem Großvater, dem Vater seiner Mutter –, dieser Mann geht jetzt langsam die Invalidenstraße rauf, an der Ackerstraße vorbei, nach der Brunnenstraße zu, an der gelben Markthalle vorbei, und sieht sich ruhig die Läden und Häuser an und wie die Menschen hier rumrennen, und lange habe ich das alles nicht gesehen, und jetzt bin ich wieder da. Biberkopf war lange weg. Jetzt ist Biberkopf wieder da. Euer Biberkopf ist wieder da.
    Herankommen lassen, herankommen lassen die weiten Ebenen, die roten Ziegelhäuser, in denen Licht brennt. Herankommen lassen die frierenden Wanderer, die Säcke auf den Rücken tragen. Es ist ein Wiedersehn, mehr als ein Wiedersehn.
    Er setzt sich in der Brunnenstraße in eine Kneipe, nimmt eine Zeitung. Ob wo sein Name steht oder Miezens oder Herberts oder Reinholds? Nichts. Wo soll ich hingehn, wo werd ich hingehn? Eva, ich will Eva sehn.
    Sie wohnt nicht mehr bei Herbert. Die Wirtin macht auf: Herbert ist verschütt gegangen, die Bullen haben all seine Sachen durchsucht, er ist nicht wiedergekommen, die Sachen stehen oben auf dem Boden, sollen sie verkloppt werden, ich werde mal fragen. Franz Karl trifft Evan im Westen in der Wohnung von ihrem Gönner. Sie nimmt ihn auf. Sie nimmt den Franz Karl Biberkopf gern auf.
    »Ja, Herbert ist verschütt gegangen, er hat zwei Jahre Knast gekriegt, ich tu für ihn, was ich kann, nach dir haben sie auch viel gefragt, erst in Tegel, und wat machst du, Franz?« »Mir gehts ganz gut, ich bin aus Buch raus, sie haben mir den Jagdschein gegeben.« »Ich habs neulich in der Zeitung gelesen.« »Was die noch alles zu schreiben haben. Aber ich bin schwach, Eva. Anstaltskost ist Anstaltskost.«
    Eva sieht seinen Blick, einen stillen, dunklen, suchenden Blick, den hat sie noch nie an Franzen gesehn. Sie sagt von sich nichts, ihr ist ja auch was passiert, was ihn angeht, aber er ist sehr lahm, sie sucht ihm eine Stube, sie hilft ihm, er soll nichts tun. Er sagt selber, wie er in der Stube sitzt und sie gehen will: Nee, jetzt kann ick nichts tun.

    Und was er dann tut? Er fängt langsam an, auf die Straße zu gehen, er geht in Berlin herum.
    Berlin, 52 Grad 31 nördliche Breite, 13 Grad 25 östliche Länge, 20 Fernbahnhöfe, 121 Vorortbahn, 27 Ringbahn, 14 Stadtbahn, 7 Rangierbahn, Elektrische, Hochbahn, Autobus, es gibt nur a Kaiserstadt, es gibt nur a Wien. Frauensehnsucht in drei Worten, drei Worte schließen alles Sehnen der Frauen in sich ein. Stellen Sie sich vor, daß eine Neuyorker Firma ein neues kosmetisches Mittel ankündigt, das einer gelblichen Netzhaut jene frische bläuliche Farbe verleiht, die nur die Jugend hat. Die schönste Pupille vom tiefen Blau bis zum samtenen Braun kann man aus Tuben beziehen. Wozu so viel Geld für Pelzreinigung ausgeben.
    Er geht durch die Stadt. Da sind viele Dinge, die einen gesund machen können, wenn nur das Herz gesund ist.
    Zuerst der Alex. Den gibts noch immer. Zu sehen ist an dem nichts, war ja eine furchtbare Kälte den ganzen Winter, da haben sie nicht gearbeitet und alles stehen gelassen, wie es stand, die große Ramme steht jetzt am Georgenkirchplatz, da buddeln sie den Schutt vom Kaufhaus Hahn aus, viele Schienen haben sie da eingekloppt, vielleicht wirds ein Bahnhof. Und auch sonst ist viel los am Alex, aber Hauptsache: er ist da. Und da laufen sie immer rüber, und es ist ein furchtbarer Dreck, denn der Magistrat von Berlin ist so vornehm und human und läßt den ganzen Schnee sich selber sachte peu à peu in Dreck auflösen, daß mir den keener anrührt. Wenn die Autos fahren, kannste in den nächsten Hausflur springen, sonst kriegste gratis eine Mülladung gegen den Zylinder und riskierst noch ne Klage wegen Mitnahme von öffentlichem Eigentum. Unser altes »Mokka-fix« ist geschlossen, an der Ecke ist ein neues Lokal, heißt »Mexiko«, Weltsensation: der Küchenchef am Grill im Fenster, Indianerblockhaus, und um die Alexanderkaserne haben sie einen Bauzaun gemacht, wer weiß, was da los ist, da brechen sie Läden aus. Und die Elektrischen sind knüppeldick voll Menschen, die haben alle was zu tun, und der Fahrschein kostet noch immer 20 Pfennig, eine fünftel Reichsmark in bar; wenn man will, kann man auch 30 zahlen oder sich einen Fordwagen kaufen. Hochbahn fährt
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