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Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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Rolle gespielt hat. Sie erzählen von Brandenburg und ob er auch einen Moroskiewicz kennt und wo der sich aufhält. Er hat sich alles mehrfach erzählen lassen und ist ganz still dabei. Man hat ihn einen Tag ganz in Ruhe gelassen. Es ist ein Schnitter, der heißt Tod. Nun wetzt er das Messer, jetzt schneidt es schon besser. Hüt dich, blau Blümlein.
    Vor dem Kriminalkommissar hat er am nächsten Tag seine Aussage gemacht, er hat nichts mit der alten Sache in Freienwalde zu tun. Wenn dieser Reinhold etwas anderes sagt, dann – irrt er. Der zusammengeschmolzene weiße Mann soll sein Alibi von damals zusammenbringen. Es dauert Tage, bis das möglich wird. Alles wehrt sich in dem Mann, diesen Weg zurückzugehen. Der ist wie versperrt. Er bringt stöhnend einige Daten heraus. Er stöhnt, man soll ihn lassen. Er blickt ängstlich wie ein Hund vor sich. Der alte Biberkopf ist hin, der neue schläft und schläft noch. Er belastet diesen Reinhold mit keinem Wort. Wir liegen alle unter einem Beil. Wir liegen alle unter einem Beil.
    Die Angaben bestätigen sich, sie stimmen überein mit den Aussagen von Miezes Gönner und dessen Neffen. Die Ärzte kommen mehr ins klare. Die Diagnose Katatonie tritt in den Hintergrund. Es war ein psychisches Trauma, anschließend eine Art Dämmerzustand, der Mann ist familiär nicht sauber, daß er mit dem Alkohol auf Duzfuß steht, sieht man ihm an. Schließlich ist der ganze Diagnosenstreit schnurz, simuliert hat der Kerl bestimmt nicht, er hat einen Klaps gehabt, der nicht von schlechten Eltern war, und das ist die Hauptsache. Also nu mal Punkt, Schluß, und er fällt für die Schießerei in der Alexanderquelle unter Paragraph 51. Neugierig, ob wir den wiederkriegen.
    Der wacklige Mann, den sie nach dem Gestorbenen Biberkopf nennen, weiß nicht, wie er im Haus rumgeht, ein bißchen als Essenträger fungiert und gar nicht mehr ausgefragt wird, weiß nicht, daß noch allerhand hinter ihm umgeht. Da knabbern die Kriminalbeamten daran, was das mit seinem Arm gewesen ist, wo er den verloren hat, wo er in Behandlung war. Sie fragen in der Magdeburger Klinik nach, das sind ja olle Kamellen, aber die Bullen interessieren sich für olle Kamellen, sogar wenn sie zwanzig Jahre alt sind. Sie kriegen aber nichts raus, wir sind ja am fröhlichen Ende, der Herbert ist auch ein Zuhälter, die Jungs haben alle feine Mädchen, auf die schieben sie alles ab, von da wollen sie alles Geld herhaben. Dabei glaubt das keiner von den Bullen, vielleicht haben die auch Geld von den Mädchen dann und wann, aber zwischendurch arbeitet man doch auch selbständig. Darüber schweigen sich die Brüder aus.
    Das Gewitter, auch das Gewitter geht an dem Mann vorüber, soll ihm für diesmal alles verziehen werden. Du hast für diesmal eine Rückfahrtkarte bekommen, mein Sohn.

    Das ist der Tag, wo man ihn entläßt. Die Polizei läßt ihn nicht im Zweifel, sie wird ihn auch draußen beschatten. Aus der Kammer wird gebracht, was dem alten Franz gehört hat, und er bekommt alles wieder in die Hände, er zieht sich die Sachen wieder an, an der Jacke ist noch Blut, da hat ihm ein Schupo mit dem Knüppel übern Kopf gehauen, den falschen Arm will ich nicht, die Perücke gehört Ihnen auch, können Sie behalten, wenn Sie hier mal Theater spielen, bei uns gibts alle Tage Theater, da tragen wir aber keine Perücke, den Entlassungsschein haben Sie, adieu, Herr Oberpfleger, na, besuchen Sie uns mal, wenn schönes Wetter ist in Buch, wird jemacht und schönen Dank, ich schließe Ihnen auf.
    Das, das haben wir also auch hinter uns.

Lieb Vaterland, magst ruhig sein,
ich hab die Augen auf und fall nicht rein
    Zum zweitenmal verläßt jetzt Biberkopf ein Haus, in dem er gefangengehalten war, wir sind am Ende unseres weiten Wegs und machen mit Franz zusammen noch einen einzigen kleinen Schritt.
    Das erste Haus, das er verließ, war die Strafanstalt in Tegel. Verängstigt stand er an der roten Mauer, und als er sich losmachte und die 41 kam und mit ihm nach Berlin fuhr, da standen die Häuser nicht still, die Dächer wollten über Franz fallen, er mußte lange gehen und sitzen, bis alles um ihn ruhig war und er stark genug war, um hier zu bleiben und wieder anzufangen.
    Jetzt ist er kraftlos. Das feste Haus kann er nicht mehr sehen. Aber siehe, wie er am Stettiner Bahnhof aussteigt, am Vorortbahnhof, und vor ihm das große Baltikumhotel liegt, bewegt – sich – nichts. Die Häuser halten still, die Dächer liegen fest, er kann sich ruhig
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