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Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)

Titel: Berlin Alexanderplatz: Die Geschichte von Franz Biberkopf (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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hergestellt und vernehmungsfähig ist: Die Tote, er nennt sie Mieze, hat kein Verhältnis mit Reinhold gehabt, Reinhold und er waren gut befreundet, aber Reinhold hat eine furchtbare, unnatürliche Sucht nach Frauen gehabt, und so ist das gekommen. Ob Reinhold Sadist von Anlage war, weiß er nicht. Er vermutet, Mieze wird sich dem Reinhold in Freienwalde widersetzt haben, und da hat er es in seiner Wut getan. Wissen Sie was von seiner Jugend? Nein, da habe ich ihn nicht gekannt. Erzählt hat er Ihnen auch nichts? Hat er getrunken? Ja, damit ist es so: Früher hat er nicht getrunken, aber zuletzt hat er damit angefangen, wieviel, weiß er nicht, früher konnte er nicht einen Schluck Bier vertragen, nur immer Brause und Kaffee.
    Weiter kriegen sie kein Wort über Reinhold vom Biberkopf raus. Nichts von seinem Arm, nichts von ihrem Streit, von ihrem Kampf, ich hätte es nicht sollen, ich hätt mich mit dem nicht einlassen sollen. Im Zuschauerraum sitzt Eva und mehrere von den Pumsleuten. Reinhold und Biberkopf fixieren sich. Kein Mitleid hat der Einarmige mit dem auf der Anklagebank zwischen den beiden Wachtmeistern, dem es an den Kragen geht, nur eine merkwürdige Anhänglichkeit. Ich hatt einen Kameraden, einen bessern gibt es nicht. Ich muß ihn ansehen und immer ansehen, es ist mir nichts wichtiger als dich ansehen. Die Welt ist aus Zucker und Dreck gemacht, ich kann dich ruhig und ohne zu plinkern ansehn, ich weiß, wer du bist, ich treffe dich hier, mein Junge, auf der Anklagebank, draußen treffe ich dich noch tausendmal, aber davon wird mir das Herz noch lange nicht zu Stein.
    Reinhold hat vor, wenn ihm irgend was in die Quere kommt bei der Verhandlung, die ganze Pumsindustrie bloßzustellen, er will sie alle reinlegen, wenn sie ihn reizen, er hat das in der Hinterhand besonders für den Fall, daß Biberkopf sich vor dem Richter dicktun will, dieser Hund, wegen dem alles gekommen ist. Dann sitzen aber da im Zuschauerraum die Pumsleute auf den Bänken, das ist die Eva, das sind ein paar Kriminalbeamte, die Bullen kennen wir. Und da wird er ruhiger, zögert und überlegt sich. Man ist auf seine Freunde angewiesen, mal kommt man doch raus, und drin braucht man sie auch, und den Bullen machen wir schon lange keine Freude. Und dann benimmt sich der Biberkopf merkwürdig anständig. Der soll ja in Buch gesessen haben. Komisch, wie sich der Dussel verändert hat, komischer Blick, als wenn er die Augen nicht drehen kann, sind ihm wohl eingerostet in Buch, und so langsam spricht er. Bei dem haperts oben noch immer. Biberkopf weiß, als Reinhold nichts aussagt, daß er dem nichts zu danken hat.
    Zehn Jahre Zuchthaus für Reinhold, Totschlag im Affekt, Alkohol, triebhafter Charakter, verwahrloste Jugend. Reinhold nimmt die Strafe an.
    Im Zuschauerraum schreit jemand auf bei der Urteilsverkündigung und schluchzt dann laut. Es ist Eva, der Gedanke an Mieze hat sie überwältigt. Biberkopf dreht sich auf der Zeugenbank um, wie er sie hört. Dann sackt er auch schwer in sich zusammen und hält sich die Hand vor die Stirn. Es ist ein Schnitter, der heißt Tod, ich bin deine, lieblich ist sie zu dir gekommen, hat dich beschützt, und du, Schande, schrei Schande.
    Dem Biberkopf wird gleich nach dem Prozeß eine Stelle als Hilfsportier in einer mittleren Fabrik angeboten. Er nimmt an. Weiter ist hier von seinem Leben nichts zu berichten.

    Wir sind am Ende dieser Geschichte. Sie ist lang geworden, aber sie mußte sich dehnen und immer mehr dehnen, bis sie jenen Höhepunkt erreichte, den Umschlagspunkt, von dem erst Licht auf das Ganze fällt.
    Wir sind eine dunkle Allee gegangen, keine Laterne brannte zuerst, man wußte nur, hier geht es lang, allmählich wird es heller und heller, zuletzt hängt da die Laterne, und dann liest man endlich unter ihr das Straßenschild. Es war ein Enthüllungsprozeß besonderer Art. Franz Biberkopf ging nicht die Straße wie wir. Er rannte drauflos, diese dunkle Straße, er stieß sich an Bäume, und je mehr er ins Laufen kam, um so mehr stieß er an Bäume. Es war schon dunkel, und wie er an Bäume stieß, preßte er entsetzt die Augen zu. Und je mehr er sich stieß, immer entsetzter klemmte er die Augen zu. Mit zerlöchertem Kopf, kaum noch bei Sinnen, kam er schließlich doch an. Wie er hinfiel, machte er die Augen auf. Da brannte die Laterne hell über ihm, und das Schild war zu lesen.
    Er steht zum Schluß als Hilfsportier in einer mittleren Fabrik. Er steht nicht mehr allein am
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