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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof
Autoren: Gmeiner-Verlag
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ich.
    »Lächerlich, ich?«, fuhr er auf. »Wer sind Sie, dass Sie das behaupten können, Sie Privatdetektiv? Ich weiß nicht, ob und welche Erfolge Sie in Ihrem Leben schon gefeiert haben, aber ich wäre verdammt vorsichtig damit, einem Mann wie mir Lächerlichkeit vorwerfen zu wollen. Wenn Sie 100 Menschen fragen könnten, wem von uns beiden sie zutrauen würden, etwas mit dem Tod dieses Mannes zu tun zu haben, was würden diese 100 wohl sagen?«
    Ich grinste. Der Mann gefiel mir. Er gefiel mir, weil er durch sein Verhalten all meine Vorurteile bestätigte, die ich gegen seinesgleichen hegte. Ich bin nicht stolz auf diese Vorurteile, ganz im Gegenteil, und ich weiß, dass sie im Einzelfall an der Realität scheitern. Trotzdem helfen sie einem, sich wenigstens grob im Dschungel des Lebens zu orientieren.
    »Die verfolgte Unschuld«, höhnte ich. »Wusste gar nicht, dass Sie Laienschauspieler sind. Haben Sie es schon einmal bei einer studentischen Theatertruppe versucht? Die suchen immer Nachwuchs.«
    Er antwortete wieder mit einem Niesen. Mit dreimaligem Niesen, um exakt zu sein. Hatte es ihm die Sprache verschlagen?
    Nein, das war es nicht. Er zückte wieder sein unvermeidliches Taschentuch, widmete dem Auswurf einen müden Blick und sagte: »Pollen.«
    »Bitte?« Ich kapierte überhaupt nichts.
    »Pollen«, wiederholte er. »Sogar nachts quälen sie einen. Kennen Sie das?«
    »Allergien kann ich mir nicht leisten«, brummte ich. »Sind was für Besserverdienende.«
    Er nickte und nieste noch einmal. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie dieses Spielchen weitergehen sollte. Vielleicht tauschten wir am Ende alte Hausrezepte aus, oder wir empfahlen uns gegenseitig unsere Lieblingsärzte. Keine Ahnung. Ich wusste nur, dass ich allmählich müde wurde.
    »Herr Koller«, sagte der Unbekannte, nachdem er fertig war mit seinem zermürbenden Geniese, »ich mache Ihnen einen Vorschlag.«
    »Tatsächlich?«
    »Lassen Sie uns gehen.«
    »Gehen? Wohin?«
    Einladend griff er nach meinem Oberarm, als wolle er mich mal eben zum Tanz auffordern. »Ich habe Sie in etwas überstürzter Manier um dieses Treffen auf dem Bergfriedhof gebeten. Gegen ein anständiges Honorar. Ich möchte nun, angesichts der veränderten Situation«, er gönnte dem Toten einen kurzen Seitenblick, »meinen Auftrag erweitern. Wieder gegen ordentliche Entlohnung, das versteht sich. Lassen Sie uns dieses Treffen vergessen. Sie sind niemals hier gewesen, ich auch nicht. Wir wissen von nichts und haben nichts gesehen. Was ja, im Großen und Ganzen, der Wahrheit entspricht. Einverstanden?«
    Ich gebe zu, der Mann verblüffte mich. Er reagierte schneller auf Situationen, als man es bei seinem Alter hätte erwarten können. Dass er nicht mit dem Toten auf dem Grab gerechnet hatte, schien offensichtlich. Also disponierte er um. Gab neue Anweisungen. Dirigierte seinen Büttel Max Koller, wie es ihm gefiel.
    »Sie wollen ihn«, sagte ich und zeigte auf die Leiche, »Sie wollen ihn hier liegen lassen und sich aus dem Staub machen? Einfach so?«
    »Können Sie ihm noch helfen?«, gab er trocken zurück.
    »Nein, aber wir könnten ...«
    »... herausfinden, wer der Mörder ist? Wenn es Ihnen Spaß macht, Herr Koller. Aber nicht in meinem Auftrag, bitte schön. Ich möchte nicht in diese Angelegenheit hineingezogen werden.«
    »Sie sind schon drin, Herr ... wie, sagten Sie, war der Name?«
    Er lächelte schwach. »Es wird Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen sein, dass ich Ihnen ein mehr als angemessenes Honorar in Aussicht gestellt habe. Daran halte ich mich. Aber nur, wenn wir beide diesen unangenehmen Ort verlassen. Und zwar so rasch wie möglich. Sie können meinetwegen von zu Hause die Polizei informieren. Nur lassen Sie mich aus dem Spiel. Im Gegensatz zu anderen Personen habe ich noch einen Ruf zu verlieren.«
    Ich war zu sehr mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt, um seine letzte Bemerkung zu parieren. Er wollte mich kaufen. Gut, das taten alle Kunden, wenn sie sich an mich als Privatflic wandten. Normalerweise zahlten sie für meine Ermittlungen, der hier zahlte für mein Schweigen. Warum tat er das? Nur um seine Ruhe zu haben? Es hätte mich gereizt, das herauszufinden. Vor allem hätte mich gereizt, ihm die Antwort am Ende meiner Nachforschungen auf den Tisch zu knallen, gegen seinen erklärten Willen und mit der Überlegenheit dessen, der ein reines Gewissen hat. Hatte er ein reines Gewissen? Wohl kaum. In jedem Fall durfte man vom Alter des Mannes
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