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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof
Autoren: Gmeiner-Verlag
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nehme daher von Zeit zu Zeit einen dieser fragwürdigen Jobs an, bei denen fürs Leben zu wenig und fürs Sterben zu viel herausspringt und auf die sie drüben in den USA so stolz sind. Helfe bei der Spargelernte, klebe Plakate für die FDP, spende Thrombozyten. Manchmal, wenn sich mir die Waagschale der Konjunktur unverhofft zuneigt, darf ich Medikamente vor ihrer Markteinführung ausprobieren und frage mich anschließend, ob man von Placebos Zungenbläschen bekommt. Beklagt habe ich mich noch nie über dieses Leben. Dazu besteht kein Anlass. Nur, dass mein forscher Unternehmergeist so wenig gesellschaftliche Anerkennung findet, verstimmt mich ab und zu.
    Aus diesem Grund bedeutete der Auftrag, der mir an jenem Freitagabend erteilt wurde, eine mehr als kleine Überraschung für mich. Ich war gerade zur Tür hereingekommen, Auberginen, Okraschoten, Olivenöl und Lammhack unterm Arm, als das Telefon klingelte. Kurz überlegte ich: das Gespräch meinem Anrufbeantworter überlassen oder selbst rangehen? Es hätte mein Freund Fatty sein können, also stellte ich das Olivenöl beiseite und nahm den Hörer von der Ladestation.
    »Herr Koller?«
    »Am Apparat.«
    »Sind Sie heute Abend frei? Ich brauche Ihre Hilfe in einer dringenden Sache.«
    Ich ging hinüber zum Kühlschrank und stieß ihn mit der Fußspitze auf. »Heute Abend? Wäre machbar. Worum geht es denn?«
    »Das erzähle ich Ihnen später. Unter vier Augen.«
    »Aha. Darf ich Ihren Namen erfahren?«
    »Der Auftrag an sich ist nicht ungewöhnlich«, sagte der Anrufer, als habe er meine Frage überhört. »Es geht um einige Nachforschungen zu einer Person, um die ich Sie bitte. Mir ist nur eines wichtig: Diskretion.«
    »Oh, ich kann wahnsinnig diskret sein«, lachte ich und begann, meine Einkäufe mit einer Hand in den Kühlschrank einzuräumen.
    »Genau das verlange ich. Mein Name tut nichts zur Sache. Dafü r garantiere ich gute Bezahlung. Verdoppeln Sie Ihren üblichen Satz.«
    »Den kennen Sie doch noch gar nicht.«
    »Verdoppeln Sie ihn. Und kommen Sie bitte heute Abend Punkt 23 Uhr zum Bergfriedhof, nicht zum Haupteingang, sondern oben zu der kleinen Seitentür am Steigerweg. Dort warte ich auf Sie, und dort können wir alles Weitere besprechen.«
    »Wie bitte?« Ich blieb verdattert an der geöffneten Kühlschranktür stehen. »Auf dem Bergfriedhof soll ich Sie treffen? Was haben Sie denn da vor?«
    »Erkläre ich I hnen dort«, antwortete er müde.
    »Moment, so einfach geht das nicht. Ich werde mich doch nicht mitten in der Nacht mit einem Unbekannten auf einem Friedhof ...«
    »Warum nicht?«
    »... ohne zu wissen, um was es geht und was ich zu tun habe!«
    »Warum nicht, Herr Koller? Ich möchte Sie beauftragen, aber anonym bleiben. Das ist alles. Und dass wir uns auf dem Bergfriedhof treffen, hat seinen Grund, den ich Ihnen vor Ort erläutern werde. Die Sache ist dringend, deshalb biete ich Ihnen ein doppeltes Honorar. Nehmen Sie an?«
    Ich schwieg. Was war denn das für ein seltsamer Typ? Jedenfalls keiner, der lange um den heißen Brei herumredete. Klare Bedingungen, klare Gehaltsvorstellungen. So vergab man professionell Aufträge. Ja, wahrscheinlich hatte der Anrufer sein ganzes Leben lang Aufträge erteilt, und nun war eben Max Koller dran. Er klang völlig anders als später bei unserer Begegnung auf dem Bergfriedhof, ohne Sarkasmus, ohne Schärfe in der Stimme, eher gelangweilt, der Sache überdrüssig – so, als habe er sich die Finger wund gewählt und wolle endlich zu einem Ende kommen. Nehmen Sie an oder lassen Sie es, Herr Koller.
    Dabei brannten mir verschiedene Fragen auf der Zunge. Warum erklärte er mir den Auftrag nicht am Telefon? Warum dieser alberne Treffpunkt mitten in der Nacht? Wie konnte der Anrufer anonym bleiben, wenn ich ihm gegenübertreten würde? Vielleicht wohnte er ja um die Ecke. Und was war so wichtig, dass er mir so viel Geld bot?
    Liebend gerne hätte ich ihn all das gefragt. Aber es war klar, dass ich keine Antwort bekommen würde.
    »Was ist, Herr Koller? Sind Sie interessiert? Oder soll ich mich an die Konkurrenz wenden?«
    »Vergessen Sie die Konkurrenz«, entgegnete ich, und das war ja nicht einmal übertrieben. Wenn sich jemand auf seine haarsträubenden Bedingungen einlassen würde, dann nur ein Hallodri wie ich. »In Heidelberg werden Sie niemanden finden, der Ihre Spielchen mitmacht, das gebe ich Ihnen schriftlich. Für mich stellt sich ein anderes Problem.«
    »Die Sache ist völlig ungefährlich. Da
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