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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Gemeinschaft der Werktätigen, holte uns alle in sein großes Wir-Boot, ohne dabei rot zu werden. Er musste ja nicht ewig lügen. Noch fünf Minuten, dann war er mich los.
    Der Wagen surrte zufrieden. Unter uns leuchteten die Lichter der Altstadt. Wir hatten diesen Umweg nehmen müssen, weil der Steigerweg, der zur Seitenpforte des Bergfriedhofs führte, einseitig gesperrt war. Die halbe Straßenbreite hatten sie wegen Kanalarbeiten aufgerissen. Auf dem Hinweg war ich durch die Weststadt gekommen und am Alois-Link-Platz von der Rohrbacher Straße abgebogen. Der Rückweg führte uns notgedrungen weiter bergan, durch den Wald Richtung Schloss und in engen Serpentinen hinab in die Altstadt. Wir erreichten die Friedrich-Ebert-Anlage und bogen links ab. Die Straßen waren menschenleer, nur hinter den erleuchteten Fenstern strich ab und zu ein Schatten vorbei.
    Wenn es wenigstens in dem BMW einen Hinweis auf den Besitzer gegeben hätte! Aber der Innenraum des Wagens war penibel aufgeräumt, da hing nicht einmal ein Talisman vom Rückspiegel. Ich sah mich um. Keine Musikkassette, die Hutablage verwaist, die Heckscheibe ohne einen einzigen Aufkleber. Nur die dämliche Bonbondose und ein paar Autokarten in den Türfächern. Der BMW erwies sich als genauso verschwiegen wie sein Besitzer.
    Vielleicht war es die falsche Entscheidung gewesen, den Friedhof zu verlassen. Ich hätte den Toten untersuchen können; irgendein Hinweis auf seine Identität hätte sich bestimmt gefunden. Aber der Silberrücken hatte zum Aufbruch gedrängt. Er wollte fort von der Leiche, runter vom Friedhofsgelände. Mein Geld liege im Wagen, hatte er behauptet. Ich war ihm schließlich gefolgt. Wenn es eine Chance gab, seinem Namen auf die Spur zu kommen, dann jetzt. In seinem Wagen, im Gespräch mit ihm, an seiner Seite. Der Tote würde noch die ganze Nacht auf seinem Grab liegen. Auch wenn es gar nicht sein Grab war.
    So kam es, dass ich in den BMW des Unbekannten eingestiegen war. Wenn ich während der Fahrt nichts über den Mann in Erfahrung bringen konnte, musste ich mir halt das Nummernschild des Wagens merken. Mein Fahrrad blieb einsam an der Friedhofsmauer zurück.
    »Suchen Sie etwas?«, fragte der Alte, als ich mich im Innenraum des Wagens umschaute. Wir näherten uns bereits dem Bismarckplatz.
    »Suchen wir nicht alle irgendetwas?«, murmelte ich und fixierte das verschlossene Handschuhfach. »Sind wir nicht ständig auf der Suche?«
    »Wenn es um Ihr Honorar geht, machen Sie sich mal keine Sorgen. Ist Ihnen Barzahlung recht?«
    In diesem Fall wäre mir ein Verrechnungsscheck mit Namenszug lieber gewesen. Ich öffnete das Handschuhfach, entnahm ihm ein Buch und einige Papiere. Lauter belangloses Zeug, das sah man auf den ersten Blick.
    »Was soll das, Herr Koller?«, protestierte der Alte. »Das bringt doch nichts. Unsere Abmachung war ...«
    »Welche Abmachung?«, schnitt ich ihm das Wort ab. Bei dem Buch handelte es sich um die übliche technische Beschreibung des Wagens, die Papiere gingen in die gleiche Richtung. Was tun im Notfall? und So funktioniert Ihr Airbag .
    »Nun lassen Sie doch die Finger von den Sachen!«, schimpfte er.
    Fort mit dem Zeug. Es lagen noch weitere nichtssagende Zettel im Fach. Die neue fondorientierte Mittelkonsole, made in Germany . Ein alter Parkschein, bunte Prospekte, ein kleiner Faltplan der Frankfurter Innenstadt. Nichts, überhaupt nichts. Es war zum Heulen.
    Der BMW kam zum Stehen. Wir waren jenseits des Neckars in Neuenheim angelangt, kurz hinter dem Brückenkopf. Nur wenige Fahrzeuge huschten über die sonst so stark frequentierte Brückenstraße mit ihren rundum erneuerten Straßenbahngleisen.
    »Verdammt noch mal!«, herrschte mich der Alte an, aber nicht einmal diese Erregung schien mir echt. »Wollen Sie nun auf mein Angebot eingehen oder nicht, Herr Koller? Dann hören Sie auf, hier herumzusuchen. Es hat Sie nicht zu interessieren, wer ich bin und was ich ursprünglich von Ihnen wollte. Mein Auftrag lautet: Es hat nie einen Auftrag gegeben, verstanden? Also: Nehmen Sie an, ja oder nein?«
    Ich grinste ihm ins Gesicht. »Es gibt nichts, was ich lieber täte«, sagte ich. »Ich werde meinem Wohltäter ewig dankbar sein und ihm eine Kerze anzünden, sobald ich zu Hause bin.«
    »Ich bin nicht Ihr Wohltäter«, entgegnete er und schnallte sich los. »Ich will bloß meine Ruhe.«
    »Richtig, Sie sind ja ein alter, pflegebedürftiger Mann.«
    Er griff in die Innentasche seines Mantels und hielt mir einen
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