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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof
Autoren: Gmeiner-Verlag
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unterdrücken. Nur dieses eine Mal. So lautet mein Auftrag, und dafür zahle ich. Wenn Sie mein Honorar nicht akzeptieren, verhandeln wir. Sehen Sie, ich bin ein alter Mann ...« – verdammter Lügner, dachte ich, denn er war alles Mögliche, aber nicht das, was man sich unter einem alten Mann vorstellte – »Ich bin ein alter Mann, Herr Koller, und mir ist meine Ruhe einiges wert. Wenn Sie einmal mein Alter erreicht haben, werden Sie das verstehen.«
    »Ich bin gerührt. Darf ich Ihnen die Schnabeltasse reichen?«
    Gelangweilt zuckte er die Achseln. Antworten wie diese hatte er wohl schon tausendmal in seinem langen Leben vernommen.
    »Gut«, sagte ich. »Nehmen wir an, ich lasse mich auf den Deal ein und schnüffle anschließend trotzdem hinter Ihnen her. Was dann?«
    »Warum sollten Sie das? Was bringt es Ihnen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Eben. Also können Sie es auch gleich lassen. Wenn Sie hoffen, mir etwas anhängen zu können – vergessen Sie es. Mit der Leiche auf dem Grab habe ich nicht das Geringste zu tun. Ich wollte Sie in einer Familienangelegenheit um Ihre Hilfe bitten, aber nun ist mir die ganze Sache zu heikel geworden. Reichen Ihnen diese Informationen?«
    »Wer ist der Tote?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Natürlich wissen Sie es. Ein alter Studienfreund vielleicht? Ein Kumpel aus dem Lions Club?«
    »Herr Koller, bitte ...«
    »Oder hat Sie der Mann letzte Woche in der Fußgängerzone angeschnorrt?«
    Ohne den Blick von der Straße zu wenden, verzog mein Chauffeur das Gesicht zu einer Grimasse, als würde ihm gleich ein Backenzahn gezogen; meine Anwesenheit schien ihm physische Schmerzen zu bereiten. Ein paar Sekunden verharrten seine Gesichtszüge in dieser Stellung, dann entspannten sie sich wieder. »Sehen Sie, Herr Koller ...«, begann er. Er nahm die rechte Hand vom Lenkrad und tastete in dem Fach unterhalb des Radios nach einer Bonbondose. Auf der Hand wuchsen dunkle und einige schon ergraute Haare. Lange, starke Haare.
    »Sehen Sie ...«, wiederholte er, dabei gab es nichts zu sehen. Er kramte weiter in dem Fach herum und ließ die Fahrbahn nicht aus den Augen. Endlich wurde er fündig und warf ein Hustenbonbon ein.
    »Es war ein anstrengender Tag, Herr Koller. Ich würde ihn gerne zu einem guten Ende führen. Akzeptieren Sie meinen Vorschlag, und ich werde Sie weiterempfehlen. In meinem Bekanntenkreis benötigt man immer mal wieder die Dienste eines verlässlichen Detektivs. Wenn ich ein gutes Wort für Sie einlege, werden Sie sich vor Aufträgen kaum noch retten können.«
    »Leichen auf dem Bergfriedhof inklusive?«
    »Apropos: Ich weiß nicht, ob Sie die Polizei über diesen ... diesen Vorfall informieren möchten.«
    »Erste Bürgerpflicht, finden Sie nicht?«
    »Dann rate ich Ihnen, anonym zu bleiben. Zu Ihrer eigenen Sicherheit, verstehen Sie? Die Behörden hegen gewisse Vorurteile gegen Ihren Berufsstand.«
    »Wer hegt die nicht?«, lächelte ich. »Was arbeiten Sie eigentlich, Herr ...?«
    »Oh, ich bin Rentner«, wehrte er ab. »Ich habe mein Berufsleben lange hinter mir.«
    »Also doch Schnabeltasse. In welchem Altersheim verdämmern Sie wohl Ihren Lebensabend?«
    Nun brachte er ein kleines Lächeln zustande; nicht zu viel, nicht zu wenig, gerade richtig, seiner Ansicht nach. Vermutlich fand er mich recht drollig und bemitleidenswert, weil ich so weit unten am Fuß der Gesellschaftspyramide beheimatet war, Lichtjahre von seiner eigenen Position entfernt.
    »Es gibt mehr suizidgefährdete alte Menschen, als man ahnt«, murmelte er nachdenklich vor sich hin. Sein Bonbon wanderte von einem Mundwinkel in den anderen. Er war überhaupt nicht nachdenklich, tat aber so.
    »Und seine Waffe?«, brummte ich. »Die hat er wohl verschluckt?«
    »Die wird sich finden. Vielleicht haben Sie sie eingesteckt.«
    »Habe ich. Und deshalb verraten Sie mir jetzt Ihren Namen, sonst gibt es ein Blutbad.«
    »Oder es war ein Unfall. Nachts, im Dunkeln, wer weiß ... Die Polizei wird es herausfinden, da vertraue ich auf unsere Behörden.«
    Mir gefiel nicht, wie er ›unsere‹ sagte. Wahrscheinlich verachtete er Polizisten genauso wie Privatflics. Hielt sie wohl beide für käuflich. Natürlich, er als geschröpfter Steuerzahler, an dessen starke Schulter sich Vater Staat in Zeiten der Rezession lehnte. Ermittelt wurde immer mit seinem sauer verdienten Geld. Mit seinen Steueralmosen und seinen Honoraren. Deshalb verachtete er uns. Zugeben würde er das freilich nicht, beschwor vielmehr wortreich die
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