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Bergfriedhof

Bergfriedhof

Titel: Bergfriedhof
Autoren: Gmeiner-Verlag
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mit dem ich wuchern konnte. Warum diese Begabung nicht zu meinem Beruf machen? Als ehemaliger Taxifahrer kannte ich die Stadt wie meine Westentasche, ich kannte die Verhältnisse, die Typen, die hier lebten, und was mir an Intelligenz fehlte, ersetzte ich durch Frechheit. Was sprach noch dagegen?
    Gesagt, getan. Ich richtete ein Zimmer unserer Wohnung als Büro ein – das heißt, ich räumte meinen Schreibtisch auf – und schaltete eine Zeitungsannonce: Max Koller, Ermittlungen aller Art. Dann harrte ich der Dinge, die da kommen sollten.
    Als Christine das sah, hielt sie mich endgültig für übergeschnappt. Ein knappes Jahr später trennten wir uns.
    Ob das eine mit dem anderen etwas zu tun hatte, meine berufliche mit unserer persönlichen Neuorientierung nämlich – keine Ahnung. Es hat mich nicht interessiert. Die Sache ist vorbei, gegessen. Natürlich fand Christine mein Privatflicabenteuer kindisch, aber so urteilte sie über vieles, was ich anpackte. In dem einen Jahr, das wir noch gemeinsam verbrachten, hatte ich vielleicht ein Dutzend Aufträge. Für den Anfang ganz ordentlich; um einer ehrgeizigen Frau zu imponieren, jedoch viel zu wenig. Schwamm drüber.
    Inzwischen hat sich die Zahl meiner Aufträge auf niedrigem, aber konstantem Niveau eingependelt. Ich komme über die Runden, das kann in Zeiten der Rezession nicht jeder von sich behaupten. Und im Gegensatz zu vielen, die ich kenne – an erster Stelle meine Exfrau – arbeite ich mich dabei nicht tot. Die freie Zeit nutze ich für Radtouren durch den Odenwald, für eine Schachpartie oder für ein Gespräch über Gott und die Welt im Englischen Jäger , meiner Lieblingskneipe. Mehr Aufträge könnte ich mir möglicherweise gar nicht leisten, höchstens besser honorierte.
    Und die Konkurrenz? Bescheiden. Da gibt es eine Mannheimer Detektei, die regelmäßig in den Heidelberger Zeitungen und Anzeigenblättchen inseriert. Zwischen Discountern und Heimwerkermärkten, und genau da gehört sie auch hin. Wer ein paar Jungs braucht, die anpacken können, liegt bei ihr goldrichtig. Schließlich arbeitete ihr Geschäftsführer früher bei einer Sicherheitsfirma. Das Kontrastprogramm bieten zwei Einserjuristen in der Heidelberger Altstadt, jung, smart, gepflegte Büroräume, gepflegter Auftritt. Arbeit unter freiem Himmel gehört nicht zu ihren Spezialitäten, dafür der Bereich Wirtschaftskriminalität: globaler Wettbewerb, Industriespionage, Betriebsgeheimnisse, Patentklau und so weiter. Am liebsten durchforsten sie dickleibige Gesetzeskommentare und die Marianengräben des Internets. Nicht mein Ding. Ich kann keine Fälle am PC lösen, nur Daten und Zahlen vor Augen und als Dialogpartner eine Handvoll flimmernder Bits. Immerhin, der Laden der beiden scheint zu laufen. Sie sind auch privat ein Paar, heißt es, führen ein schickes Leben und verbringen die Hälfte des Jahres auf Bali. Abwechselnd, vermutlich.
    Dann gibt es noch einen älteren Kollegen in Handschuhsheim, einen ehemaligen Polizisten, dessen Beine nicht mehr so recht wollen. Ein harmloser Kerl, beliebt bei der Klientel über 60, im Nebenberuf Winzer. Seine einzige erwähnenswerte Qualität besteht im Besitz eines badehandtuchgroßen Wingerts oberhalb der Bergstraße, den er seit drei Jahrzehnten eisern bewirtschaft, trotz seiner Beine. Und zwar mit erstaunlichem Erfolg. Das Tröpfchen, das er seiner Handvoll Trauben abpresst, ist ein Gedicht; Wildschweine und Spaziergänger hält eine Selbstschussanlage Marke Eigenbau von seinen Rebstöcken fern. Gemeinsam nehmen wir manchmal einen zur Brust, und wenn er dann mit einer seiner heiligen Flaschen aus dem Keller (noch so ein Hochsicherheitstrakt) gehumpelt kommt, seine Frau ins Bett geschickt hat und im Westen eine rote Herbstsonne hinter den Pfälzer Bergen versinkt, erzählen wir die Geschichte vom Malteser Falken neu und wie wir an Nicholsons Stelle die Fortsetzung von Chinatown gedreht hätten.
    So viel zu den schönen Momenten eines Privatfliclebens in der Kurpfalz.
    Und die weniger schönen? Die gibt es natürlich auch: wenn sich über Wochen niemand mit einem Auftrag bei mir meldet, keine kühle Blondine in hochhackigen Schuhen, kein zwielichtiger Zigarrenraucher mit vernarbter Wange. Nicht einmal der besorgte Vater einer pubertierenden Tochter; man wird ja bescheiden. Auch in Heidelberg fällt das Geld nicht vom ewig blauen Himmel, und soll ich vielleicht meine Nachbarn zum Verbrechen ermuntern, nur damit bei mir die Kasse klingelt?
    Ich
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