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Berge Meere und Giganten (German Edition)

Berge Meere und Giganten (German Edition)

Titel: Berge Meere und Giganten (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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sicher ihn durchsteigende Wut, als auf den Straßen nördlich Mailands Peitschen knallten und Farbige aufrecht auf den Pferderücken stehend ihre Tiere jagten, die Arme warfen, die Pferde schnaubten. Wagerecht warfen sie ihre Beine, die braunen Rümpfe dicht über dem Boden hängend. Diese Menschen würden nicht die italienischen Menschen und Werke beherrschen; es ging alles seinen guten Weg. Er kniff dem jungen Guistiniani, schwarzhaarig und gelbblasses nervös zitterndes Gesicht, in den Arm, wie sie seitwärts in eine Pinienschonung umbogen, wies ihm schweigend die vorüberstürmende Jagd. Guistiniani bebte, blickte weg: »Das muß ich mit ansehen. Ich schäme mich. Ich werde nicht lange leben, um dies anzusehen.« »Du bist jung. Blick mein Gesicht an. Hast du das heute morgen noch für möglich gehalten. Weine nicht. Weine ich denn. Wie sie mich auf den Boden geworfen haben. Wer war es eigentlich, der mich mit dem Fuß getreten hat.« »Ich weiß nicht.« »Hätt es gerne gewußt. Ein tüchtiger Mann. Möchte ihn weniger einen Kopf als einen Fuß kürzer machen.« Der junge schlug den linken Arm um Carceris Brust, klammerte sich mit seinem rechten an ihn an, stöhnte: »Dann weine ich für dich, weil es meine Art ist. Und ich sage dir, Carceri, du magst von mir denken, was du willst, weil ich weine; ich werde aber gewiß nicht stille halten. Ich stand mit den andern im Gedränge, als sie dich anpackten und das Gräßliche losging. Wir waren alle ja – hilflos. Nein, ich war nicht hilflos. Aber von den anderen ging dieses Gefühl, dieses niederträchtige auf mich über; ich hätte allein stehen können neben denen, ich hätte mich auch nicht für dich bewegen können. Aber: ich bin bestraft genug worden, daß ich zusah. Es ist einmal geschehen, wird nicht wieder geschehen.« »An mir wird es nicht wieder geschehen, Guistiniani. Danach haben sie auch keinen Appetit mehr. Sie werden annehmen, ich habe fürs erste genug. Aber da sind ja noch andere, an denen sich allerhand versuchen läßt. Was meinst du zum Beispiel, Guistiniani, zu einem schlanken jungen Mann mit schwarzem Haar und unruhigem unzufriedenem Ausdruck, der den verdammten Ravano della Carceri nach Hause begleitet. Sie werden dir dein Gesichtchen, das dein Mütterchen immer gewaschen gepudert gesalbt gestrichen hat, noch einmal salben und streichen. Ein feines Pulver haben sie, afrikanischer Wüstensand, Kieselsteine aus dem Atlasgebirge, das wirst du erleben. Soll ich dich küssen, Bübchen Guistiniani, auf dein zartes Gesicht. Ich glaube, morgen tue ich es nicht mehr.« Sie gingen; Guistiniani, den Kopf gesenkt, den Blick auf das Gras, strenge Stirnfalten: »Du bist ein so unbändiger Mann, Carceri. Du mußt mir Farbe bekennen. Du mußt sagen, was du meinst. Ich bin aus dem ältesten Geschlecht unseres Landes, du mit mir. Ich gebe nicht nach. Den stinkigen Afrikanern. Dem Gesindel, dessen Kraft worin liegt? In den Lenden. In den Hoden der Männer, im Bauch der Weiber. Diese Plapperaffen Fettwanste Papageien. Ich schäme mich, von Menschen zu sprechen. Sie sind von den Bäumen gekrochen und spucken auf uns.« »Und mein Gesicht? Und der Arm von Sanudo?« »Ich will nicht, Carceri. Oh lieber Carceri, höre auf und sprich nicht so.«
    Da zog Carceri den jungen Menschen beiseite, setzte sich mit ihm unter einen Baum, fragte ob jemand in der Nähe sei. Und dann, dicht an Guistiniani gelehnt, murmelte er, gestikulierte. Es sei gut, nicht zu laut zu reden. Der Junge solle sich vorsehen. Vor den anderen Männern und Frauen ihrer Kreise. Wenn die hörten, was er von Blut, altem Geschlecht und so weiter gesagt habe, so würde er etwas bemerken. »Wie viel altes Blut gibt es. Wer hat nicht ein Tröpfchen Afrika in der Ader. Nicht drüber reden. In ein zwei Generationen sind wir hops. Sind Nachspeise, Dessert, Schokolade, Käsebrötchen im Lande; das Hauptfutter sieht gelb und schwarz aus. Vom Tiber zum Po werden Kamele getrieben. Ich wollte auch, sie wären grün wie Gras und ich könnte sie zertrampeln; sieh mal, so. Aber deine Freunde, die Schufte geben schon nach. Ihr Blut taugt nichts. Es ist ihnen gleich, ob sie morgen noch da sind, wenn sie nur leben. Die Schufte, ja, die mit der Hilflosigkeit von vorhin. Ein Segen, daß sie dem Sanudo den Arm zerschmettert haben. Das merken sie besser als mein Gesicht, das ist für sie dickere Galle. Unsere Brüder, unsere Freunde! Mutloses Gesindel, Pack, das sein Los verdient. Weißt du, was ich täte, jetzt, wenn ich
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