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Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"

Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"

Titel: Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"
Autoren: Jennifer Blake
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noch eine Jagdflinte gewesen.
    Ob sie noch da war? Und würde sie die Nerven haben, sie zu benutzen, falls sie sie in die Finger bekäme? April hatte noch nie geschossen, obwohl Luke ihr vor Jahren unbedingt das Schießen hatte beibringen wollen. Theoretisch wusste sie, wie man mit einem Gewehr hantierte, Luke hatte es ihr damals erklärt, außerdem hatte sie es für ihre Actionszenen recherchiert, aber das war auch schon alles. Sie verabscheute Schusswaffen, die nur zum Töten gemacht waren. Sie waren in ihrer Erinnerung eng mit Schmerz und Verlust verknüpft, mit Blut und Schrecken und dem eisigen Entsetzen, das sie erfüllt hatte, als sie ihren Vater tot über dem Leichnam ihrer Mutter hatte liegen sehen. Sie war sich nicht sicher, ob sie sich überwinden konnte, das Gewehr anzufassen, geschweige denn, damit zu schießen.
    War ihre Abneigung stärker als ihr Überlebenswille? Es sah ganz danach aus, als müsste sie es herausfinden. Was immer sie auch tun wollte, sie musste sich entscheiden und es tun. Die Zeit wurde knapp.
    April machte für einen Moment die Augen ganz fest zu. Dann schlich sie zur Hütte zurück.
    Als sie die Rückseite erreicht hatte, presste sie sich so eng wie möglich gegen die Bretterwand und schob sich Schritt für Schritt auf die Treppe der Hintertür zu, wo der Schlafraum lag. Es war ihre einzige Chance. Muriel bewachte immer noch die Boote an der Anlegestelle. Und Frank war wahrscheinlich noch auf der Nordseite des Hauses und suchte den Waldrand ab. Sie konnte nur hoffen, dass er auch dort blieb.
    Die Hintertür war den ganzen Tag über offen gewesen, damit Luft ins Haus kam, und sie stand immer noch offen. Leise wie eine Katze schlüpfte April in den Schlafraum.
    Die Petroleumlampe in der Küche brannte immer noch. Ihr Schein fiel in den hinteren Raum. April blieb stehen und lauschte angestrengt, aber es war nichts zu hören. In der Luft hing der Gestank nach verkohltem Papier, und sie verspürte einen kurzen Stich des Bedauerns über die Worte, die in Rauch aufgegangen waren, über die verlorene Zeit und Mühe. Dann schob sie die Gedanken weg und schaute in die Ecke, in der das Gewehr lehnte.
    Es war wie angenommen eine Jagdflinte. April streckte die Hand danach aus, dann ballte sie die Finger zur Faust. Es war ungefähr so, als wenn sie gezwungen gewesen wäre, die Hand nach einer Giftschlange auszustrecken. Der Lauf der Waffe sah genauso unheimlich und tödlich aus.
    Dann schrie Muriel vor dem Haus: „April! Wo stecken Sie?“
    Jetzt packte April das Gewehr kurz entschlossen am Lauf und klemmte es sich unter den Arm. Es war eine 30.06 Automatik, die gut in der Hand lag und nicht zu schwer war. Daneben lagen mehrere Schachteln mit Munition verschiedenen Kalibers. Sie schaute sie schnell durch und fand die richtigen. Sie warf die Munitionsschachtel aufs Bett, dann lud sie das Magazin, schob es mit zitternden Fingern wieder an seinen Platz zurück und stopfte sich die übrige Munition in die Taschen ihrer Shorts.
    „April! Kommen Sie raus! Sie können sich nicht vor uns verstecken. Wir finden Sie sowieso.“ Das Geschrei wurde von einer Gewehrsalve untermalt.
    April stand erstarrt mit angehaltenem Atem und dem Gewehr in der Hand da. Dann wurde ihr klar, dass Muriel nicht wissen konnte, wo sie war, sonst wäre sie schon längst in die Hütte zurückgerannt. Zweifellos dachte sie, dass sie sich irgendwo im Wald versteckte, und hoffte, sie würde sich einschüchtern lassen und herauskommen.
    Womöglich bekommt Muriel jetzt mehr als das, womit sie gerechnet hat, dachte April grimmig entschlossen, als sie wieder Atem holte. Die Frau hatte auf Luke geschossen, sie hatte sie in die Enge getrieben und gedemütigt und sie gezwungen, etwas zu zerstören, was ihr wichtig war. Jetzt stand Muriel zwischen ihr und der Freiheit, die sie dringend brauchte, um herauszufinden, was mit dem Mann, den sie liebte, passiert war.
    Seltsamerweise fühlte sich das Gewehr nicht länger wie eine Bedrohung, sondern wie eine Ermächtigung an, das Mittel, um das zu bekommen, was sie brauchte. Sie klemmte es sich wieder unter den linken Arm. Dann presste sie entschlossen die Lippen zusammen und ging zur Tür.
    Sekunden später war sie wieder draußen. Ohne ein Geräusch zu verursachen ging sie die Hintertreppe hinunter und begann auf die Südecke zuzugehen. Kurz davor blieb sie stehen, spähte kurz hinter ihrer Deckung hervor und zog sich wieder zurück.
    Einen Teil des Anlegestegs hatte sie gut übersehen können,
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