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Belles Lettres

Belles Lettres

Titel: Belles Lettres
Autoren: Charles Simmons
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Vergnügen suchte sie in ganz Theben seltene Heiligtümer auf. Anders als Usermare, verehrte sie nicht nur Amon, sondern auch Götter, denen in anderen Städten gehuldigt wurde, Ptah in Memphis oder Toth in Khnum, zu schweigen vom großen Osiris-Kult in Abydos, doch hatten all diese Götter auch hier ihre Tempel mit ergebenen Priestern, und meine Königin fand noch manch anderen Gott in manch anderem Tempel, häufig an den schäbigsten Stellen - am Ende eines schlammbedeckten Wegs mitten in den Slums von Thebes, wo die Kinder so schmutzig und unwissend waren, daß sie bei ihrem Anblick weder die Köpfe neigten noch ins Staunen gerieten, sondern nur mit den Augen rollten.» (Barry rollte mit den Augen.) «Weil der Weg zu schmal für ihre Sänfte war, watete sie mit ihren zierlichen Füßen in goldenen Sandalen bis zum Ende des Torwegs, wo sie sich von Priestern dieses schäbigen, kleinen Tempels des Hathor oder Bestet oder Khonsu die Füße waschen ließ, oder in vornehmeren Quartieren, vorbei an den Pforten säulengeschmückter Villen mit Torwächtern und auf eigene Kosten errichteten kleinen Steinsphinxen könnten wir zwischen schlanken Säulen eines, wie sie selbst es ausdrückte, ‹ göttlichen Tempelchens › eintreten, um der Göttin Mut unsere Ehrerbietung zu erweisen, der Gemahlin des Amon, oder b is...»
    «Das war Seite 1231», sagte Barry.
    «Tja, ganz recht», sagte Ed, «und was sagt Ihnen das, Barry?»
    «Nicht viel.»
    Ed hüstelte, lächelte und sagte: «Das wundert mich gar nicht. Wenn man irgendeine zufällige Seite aus dem zweiten Teil eines gigantischen Werks aufschlägt und außerhalb des Zusammenhangs liest, kann man doch nicht erwarten, daß einem das etwas sagt. Stellen Sie sich mal vor, jemand hätte 1921 Seite 877 aus dem ‹ Ulysses › in einer Konferenz wie unserer vorgelesen!»
    «Na gut», sagte Barry, «dann versuch ich's eben mit dem ersten Teil.» Er schlug den Band am Anfang auf. «Das hier ist Seite 74.»
    «Barry», sagte Mr. Margin, «Sie wollen doch nicht etwa noch mehr vorlesen?»
    «Mehr! Mehr!» sagte Virginia Wrappers.
    «Wieso nicht?» sagte Ed.
    «Also gut», sagte Mr. Margin. «Scheint ja auf allgemeines Interesse zu stoßen.»
    Und Barry las: «In solcher des Lichts verlustig gegangener Dunkelheit, in der sich kein Lüftchen regte, nicht der leiseste Hauch einen Gedanken belebte, dauerte der Zweifel des Sekhem an. Man würde geschätzt werden. Und die Zeit verrann ohne Maß. War's eine Stunde, war's eine Woche, bevor in meinem Geist das Licht des Mondes aufging und das Innere meines Körpers in seinem Schein badete? Vor dem Vollmond schwebte ein Vogel mit leuchtenden Schwingen, und sein Kopf erstrahlte wie ein glühender Punkt. Der Vogel mußte der Khu sein. Indem ich ihn mit seinem Namen belehnte, dämmerte mir, daß zumindest ein Gedanke wieder Einlaß in meinen Kopf gefunden hatte und von dem Khu ausgegangen sein mußte - diesem süßen Vogel der Nacht -, einer Kreatur göttlichen Wissens, uns zu Lehen gegeben wie das Ren oder das Sekhem. Ja, gleich dem Namen und der Macht erschien der Khu, um unsere Gedanken zu erleuchten, solange wir unter den Lebenden weilten, doch im Tode mußte er zum Himmel zurückkehren. Denn, anders als der Ba und der Ka, jene vierten und fünften Elemente der sieben Seelen und Geister, die nach unserem Tode gewiß zugrunde gehen mußten, währte der Khu gleich dem Sekhem und dem Ren ewig. Und doch - nicht in alle Ewigkeit, nicht gänzlich unbeschadet. Denn aus dem Wabern seiner...»
    «Das war Seite 74, und das sagt mir immer noch nicht viel.» Barry schob die beiden Bände über den Tisch in Richtung Ed.
    Mr. Margin sagte: «Danke, Barry. Waren diese beiden Seiten denn tatsächlich repräsentativ, Ed?»
    «Sie waren repräsentativ für eine der Ebenen des Buchs. Es gibt andere.» Aber er führte das nicht weiter aus und ließ die gebundenen Druckfahnen in der Tischmitte liegen.
    Ich glaube, er hatte das Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben, indem er Barry vorlesen ließ. Er richtete seine Aufmerksamkeit nun passiv auf Mr. Margin, der sagte: «Also, haben Sie einen Vorschlag, wer das rezensieren soll, Ed?»
    «Ich glaube, Joyce Carol könnte etwas damit anfangen», sagte er.
    «Sie hat 'ne ziemlich ausgeprägte Schamschwelle gegenüber Scheiße, aber dafür ist sie zu niedrig», sagte Barry.
    «Lauter! Lauter!» rief Virginia.
    «Joyce Carol Oates' Schamschwelle gegenüber Scheiße ist nicht ausgeprägt genug, um Norman Mailers neuen Roman
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