Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Belles Lettres

Belles Lettres

Titel: Belles Lettres
Autoren: Charles Simmons
Vom Netzwerk:
den ersten Einblick zu gewähren.
    «Bevor ich beginne», sagte Ed, «möchte ich gleich sagen, daß Normans Roman unbeschreiblich ist.»
    Ed hatte die irritierende Angewohnheit, bekannte Personen beim Vornamen zu nennen. Wenn er von «Pauline», «Mordecai», «Gore» redete, wußte man gleich, wen er meinte, aber gelegentlich sprach er von «John» oder «Bill», und dann mußte man nachfragen: John-Wer? Bill-Wer? Als wieder einmal nachgefragt worden war und er uns gesagt hatte, daß es sich bei John um Updike handelte, erklärte er, daß er sich in letzter Zeit große Sorgen um John gemacht habe und sich ihm von daher besonders verbunden fühle. (Zur Ehrenrettung dieser Marotte Eds muß ich einräumen, daß ich ihn einmal gegenüber Updike erwähnte, und Updike fragte: «Wie geht's denn Ed Princeps so?» Updike erzählte mir außerdem, Eds vollständiger Vorname sei Editio, was ich nicht gewußt hatte, und fügte mit einem schlauen Lächeln hinzu: «Er ist doch wirklich ein Original, nicht wahr?»)
    Wie auch immer - Ed fuhr über Mailers Roman fort: «Er heißt ‹ Antike Abende › , und ich sage, daß er unbeschreiblich ist, weil ihr vielleicht keine klare Vorstellung davon bekommen habt, worum es geht, wenn ich fertig bin. Also werde ich euch sagen, womit er vergleichbar wäre. Es ist das Alte Testament, verfaßt von Mel Brooks, ‹ Das tibetanische Totenbuch › von Henry Miller, die Ilias von Woody Allen, die Büste der Nofretete von Red Grooms.»
    «Ich hab gehört, daß da drin viel gefurzt und gekotzt wird», sagte Ben Boards. Ben ist der Layouter von Belles Lettres und nimmt an den Redaktionskonferenzen teil, um ein Gefühl für das zu bekommen, was läuft. «Auch viel Arschfickerei», fügte er hinzu.
    «Lauter! Lauter!» rief Virginia Wrappers, eine altgediente Redakteurin, die sich selbst - wie alle anderen auch - für die Garantin des Niveaus hielt. Sie war wohl im Lauf der Jahre etwas schwerhörig geworden, hatte aber den Bogen raus, die Leute jene Dinge wiederholen zu lassen, die sie eigentlich nur einmal sagen wollten.
    «Auch viel Arschfickerei», sagte Ben Boards.
    «Was soll das denn heißen?» sagte sie.
    Wie er es oft tat, warf sich Mr. Margin dazwischen wie ein Brennstab in spaltbare Materie. «Ben hat gesagt, Virginia, er habe gehört, der neue Mailer sei voll wüster Vulgarität.»
    «Ich verstehe», sagte sie und lehnte sich zurück.
    «Ich habe Ed um den Bericht über Mailers Roman gebeten», sagte Mr. Margin, «weil er, wie wir alle wissen, einen ausgeprägten altphilologischen Hintergrund hat. ‹ Antike Abende › dürfte sich als umstrittenes Werk herausstellen, und wir wollen uns da auf festem Grund bewegen. Dieser Mailer ist ganz anders als all die Mailers, die wir kennen, nicht wie der frühe Mailer mit ‹ Die Nackten und die Toten › , nicht wie der jüngste Mailer mit seinen Marilyn-Büchern und ‹ Das Lied des Henkers › . Dies ist ein total neuer Mailer, auf den nicht jeder gefaßt sein dürfte. Ich selbst halte das Buch für ein gewaltiges Experiment, von.    wie viele Seiten, Ed?»
    Ed schlug den Einbandrücken des zweiten Bandes auf und sagte: «Eintausendsiebenhundertundvierzehn Seiten Druckfahnen.»
    «Dürfte ich das bitte mal sehen?», sagte Barry Vellum, der bei Belles Lettres für Naturwissenschaft und Lyrik zuständig war, weil sich sonst niemand für dergleichen interessierte. «Ich kenne Mailer persönlich, und ich habe alle seine Bücher gelesen.»
    Ed schob die beiden Bände über den Tisch und redete weiter. «Wenn wir dies Buch bewerten wollen, müssen wir uns bewußt sein, daß Mailer hier alle seine Stärken ausgespielt hat - sein profundes Verständnis der modernen Gesellschaft, sein unvergleichliches Ohr fürs amerikanische Idiom, seine absolut meisterhafte Beherrschung von Erzählweisen, seine donquichotteske Fertigkeit, populären Vorurteilen mit offenem Visier zu begegnen, seine unvergleichliche Bereitschaft, sich selbst zum Narren zu machen - und es ist gerade diese letztgenannte Qualität, die, wenn ich das mal so ausdrücken darf, für einen Künstler von höchster Bedeutung.»
    «Ed, darf ich Sie mal unterbrechen?» sagte Barry Vellum. «Ich habe eben den zweiten Band auf Seite 1231 aufgeschlagen, und ich würde das gerne vorlesen.»
    «Meinen Sie, daß wir dafür genug Zeit haben?» sagte Mr. Margin.
    «Ich glaube, es könnte aufschlußreich sein», sagte Ed.
    «Na schön, Barry, schießen Sie los!»
    Barry las vor: «Zu ihrem eigenen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher