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BELLAGIO -- Roman (German Edition)

BELLAGIO -- Roman (German Edition)

Titel: BELLAGIO -- Roman (German Edition)
Autoren: Bia May
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besonders gefreut. Die hatten sie immer in Italien verbracht, immer im gleichen Hotel. Das war ihr kleines Ritual geworden. Dort hatten sie sich kennengelernt, dort war damals das Meeting mit ihrem Vater gewesen. Wenn er an seine Ehe zurückdachte, dann waren es wohl gerade diese späten Oktoberwochen in Italien, die die glücklichsten in ihrer ganzen Ehe gewesen waren. Auch dieses Jahr war die Reise längst gebucht und bezahlt. Sollte er nun allein nach Italien fahren? Ohne Camille, ohne die Kinder? Camille hatte ihm klipp und klar gesagt, dass sie den Urlaub nicht nehmen wollte. Sie wäre fertig mit ihm, mit den Erinnerungen, mit allem.
    Aber wenn er jetzt führe, wäre das nicht wie schädliche, Seele zerfressende Nostalgie? Oder schlimmer noch, Masochismus? Würde er sich nicht jede Sekunde nach seiner Familie verzehren, wenn er nun sofort nach der Trennung, noch in der vollen Trauerphase, ausgerechnet dorthin fuhr, wo sie immer am glücklichsten gewesen waren? 
    Andererseits, wenn er hier blieb, dann würde er in diesem Penthouse leben. In der Wohnung, in der jedes Möbelstück ihn an seine verlorene Familie erinnerte. Wo die beiden Kinderzimmer waren, die, wenn er sie betrat, den Geruch seiner Kinder ausströmten.
    Da war wahrscheinlich der Urlaub noch die weniger masochistische Variante. Und den Termin mit seinem größten Gläubiger, Carlo Valle, konnte er ebenso in Italien abhalten. Valle kam aus Florenz. Er nannte sich immer ‚Bankier’. Als ob nicht alle wüssten, was er wirklich war. Ein Termin in Italien, das wäre Valle wahrscheinlich sogar lieber.
    Alex wusste sowieso, was an diesem Termin passieren würde. Schließlich war er zahlungsunfähig. Pleite. 
     

X X X
     
     
     
     
     
    Am nächsten Morgen, als Chris fertig angezogen war, tat Ela ihr Verhalten schon fast wieder leid. Aber jetzt würde sie hart bleiben. Es reichte. Sie rauchte innerlich noch und sie spürte, wie ihre Hände zitterten. Sie schenkte sich ihren Kaffee ein und dachte an den Abend zurück.
    Gestern Nacht noch, obwohl es schon so spät war nach dem Vorfall mit Chris, hatte sie das Gefühl gehabt, frische Luft zu brauchen. Sie hatte die Terrassentür geöffnet und die halb milde, halb kühle Herbstluft herein gelassen. Sie war hinaus auf die Terrasse getreten und hatte tief Luft geholt. Sie hatte gestresst die Augen geschlossen, als ihr auf einmal Rauch in die Nase gestiegen war. Sie hatte gegrinst. „Otto? Bist du das?“
    „Ja. Wer sonst?“, war eine dunkle Stimme hinter den Büschen hervor gekommen.
    Otto war ihr Nachbar, ein Witwer. Er war Anfang 60 und lebte allein, seit seine Frau vor drei Jahren gestorben war.
    „Das Geschrei hat mich heraus gelockt. Dachte schon, ihr hättet Einbrecher im Haus.“
    Ela war es ein wenig peinlich gewesen, dass Otto alles gehört hatte. „War es so laut?“
    „Sind dünne Wände hier, das weißt du doch. Und Chris hat sowieso eine laute Stimme.“
    „Was hast du denn alles mitgekriegt?“
    „Genug.“
Ela hatte schwer geatmet.
    „Musst dir keine Vorwürfe machen, Ela. Das tut dem Jungspund gut. Der muss seine Grenzen spüren, wenn er sie nicht sieht. Jungs brauchen das. Ist wie bei einem hysterischen Weib. Der knallt man ja auch eine, damit sie wieder normal wird.“
    Ela hatte laut aufgelacht. Und auch jetzt noch, am hellen Morgen, lächelte sie vor sich hin, als sie an Ottos Rat dachte. So viel weise Amateurpsychologie auf einmal! Aber so unrecht hatte er nicht einmal. Manchmal hängte sich das menschliche Gehirn einfach auf, wie bei einem PC, bei dem plötzlich nichts mehr ging. Dann konnte ein Knall schon helfen.
    Ela übergab an diesem Morgen Chris seine Vesperbox mit versteinerter Miene, denn sie wusste, dass sie jetzt nicht nachgeben durfte. Chris musste merken, dass die Grenze erreicht war. Kein Nachgeben, kein ‚Tut mit leid wegen gestern Abend’, das ihr fast schon auf der Zunge lag, weil sie es als Frau eben nicht gewöhnt war, Konflikte auch einmal körperlich auszutragen, was bei Jungs und sogar auch bei ausgewachsenen Männern doch immer noch gang und gäbe war. In Chris’ Augen lag an diesem Morgen eine Unsicherheit, die sie schon lange nicht mehr bei ihm bemerkt hatte. Er schien sich im Klaren darüber zu sein, dass sie sein Verhalten nicht mehr tolerieren würde.
    „Ich melde dich heute zur Psychotherapie an“. Ela sagte das kalt als sie sich wegdrehte, um in die Küche zurück zu gehen.
    „Nein, Mama, nein! Bitte nicht! Ich werde mich bessern, ich
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