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BELLAGIO -- Roman (German Edition)

BELLAGIO -- Roman (German Edition)

Titel: BELLAGIO -- Roman (German Edition)
Autoren: Bia May
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verspreche es! Ich werde dir nicht mehr wehtun und auch besser folgen! Aber schick mich nicht weg!“
„Ich schicke dich nicht weg, ich hole uns nur Hilfe. Denn ich werde nicht mehr Herr über dich.“
    „Aber ich bessere mich! Ab sofort! Mama, bitte!“       
    „Und du gehorchst mir von jetzt an? Wenn ich sage, du bist um zehn im Bett, dann bist du um zehn im Bett? Wenn ich sage, du sollst die Spülmaschine ausräumen, dann räumst du die aus? Wenn du lernen sollst, oder Hausaufgaben machen, dann schaltest du den Computer aus und machst das? Und so weiter und so weiter?“
    „Ja.“ Chris sagte es fast feierlich. Er meinte es so.
    „Also gut. Dann testen wir das für vier Wochen.“ Chris nickte. Aber Ela schaute ihn kritisch an. „Wenn es aber nicht funktioniert, dann holen wir uns Hilfe.“
    Chris nickte wieder. „Aber es wird funktionieren. Bestimmt.“
    „Also gut. Dann ab in die Schule jetzt!“
    Zögerlich gab er ihr ein Küsschen auf die Wange. Das hatte er schon lange nicht mehr gemacht. Ela schaute ihm kritisch hinterher, als er die Haustür hinter sich zuzog.
    Das hatten sie ja nun schon ein paar Mal hinter sich, in ähnlicher Weise. Nur nie so hart, wie es gestern war. Verbesserungsschwüre. Rückfälle. Verbesserungsschwüre. Blaue Flecken. Sie hatte die Hoffnung auf Besserung bei Chris eigentlich längst aufgegeben. Sie wusste, dass echte Konsequenzen überfällig waren. Das wirklich Schlimme für Ela war, dass jede Gemeinheit von Chris, jeder Ungehorsam, jeder Stoß und jeder Schlag von ihm sie an die Grausamkeiten erinnerte, die sein Vater ihrer Seele angetan hatte. Manchmal kam es ihr vor, als wäre das ihr persönlicher Fluch. Als wären diese Schmerzen, die ihr damals von ihm zugefügt worden waren, noch nicht genug. Als würden sie sich Tag für Tag aufs Neue wiederholen. Ela fragte sich oft, womit sie das verdient hatte. Warum ihr das passierte. Ihr, die immer versuchte, die Gefühle anderer nicht zu verletzen. Behutsam zu sein. Bevor sie andere verletzte, verletzte sie lieber sich selbst.
    Wahrscheinlich war genau das falsch. Man musste auch lernen, für sich selbst zu sorgen, sich selbst zu verteidigen, sich selbst sein Recht zu holen. Man konnte sich nicht darauf verlassen, dass andere das für einen taten. Nein. Das hatte sie so oft erleben müssen, dass sie anderen half, aber wenn sie selbst Hilfe brauchte, einsam und verlassen war und keiner ihr beistand. Aber sie nahm sich vor, das jetzt zu lernen. Schluss mit der lieben netten Ela, die sich herumschubsen ließ. Sie würde jetzt für sich selbst einstehen lernen. Sie würde jetzt auch ihre Ellbogen benutzen. Sie würde sich erlauben, wütend zu sein, streng zu sein, auf ihrem Recht zu bestehen. Sie würde sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse durchsetzen lernen. Ein für allemal.
    Während sie die Küche aufräumte und sich noch einen Kaffee aufsetzte, dachte sie zurück an die Zeit, in der sie noch kein Kind gehabt hatte. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie sehr sie sich ein Baby gewünscht hatte, damals mit ihm. Vor lauter unerfülltem Kinderwunsch hatte sie sogar ein starkes PMS ausgebildet, so stark, dass sie unfähig gewesen war zu arbeiten – einmal im Monat.
    ‚Psychosomatisch’, meinte ihre Frauenärztin. Sie nähme es ihrem Körper übel, die Periode zu bekommen, weil das hieße, sie wäre nicht schwanger.
    Ha, wie schön hatte sie es sich damals vorgestellt ein Kind zu haben! Romantisch hatte sie sich die perfekte kleine Familie ausgemalt, hatte sich vorgestellt, welch tolle Beziehung sie mit ihrer Tochter oder ihrem Sohn haben würde. Mit keinem Gedanken, mit keinem einzigen Gedanken hätte sie damals je vermutet, dass sich die Beziehung zu ihrem Kind in eine solche Hölle verwandeln könnte, in der sie sich nur eines wirklich wünschte: Dass es 18 wurde und auszog! Dass ihr Leben endlich wieder normal werden würde. Dass sie abends nach Hause kommen und Entspannung finden würde anstatt Beziehungsstress und Ärger. Dass sie gerne wieder allein leben würde! Nicht immer wieder durch ihren Sohn an diese verkorkste Beziehung zu seinem Vater und seinem schäbigen Verhalten erinnert zu werden, das ihr immer noch wie ein Stachel im Fleisch saß, der nie aufhören würde, ihr schmerzliche und manchmal auch hasserfüllte Erinnerungen zu schicken.    
    Und sie wusste noch etwas, auf der Brücke war es ihr schlagartig klar geworden: Es war an der Zeit, dass sie etwas für sich selbst tun musste. Es
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