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Bel Canto (German Edition)

Bel Canto (German Edition)

Titel: Bel Canto (German Edition)
Autoren: Milada Součková
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als Vorspruch zu ihrem Roman die Gedanken eines jungen, unbekannten deutschen Dichters an. Das kann nur als versteckter Bezug auf Rykr gelesen werden, auf einen Maler von großer Experimentierfreude und in seinen letzten Schaffensjahren Schöpfer überzeugender surrealistischer Werke, der sich aus ähnlichen Gründen wie Winkler im Januar 1940 umbringt. Er wirft sich vor den Zug Prag-Paris.
    Von dieser versteckten Andeutung abgesehen, finden sich im Roman keine Spuren eines unmittelbaren Zeitbezuges – es sei denn, man liest den Roman generell als eine Metapher auf eine durcheinandergeratene Wirklichkeit und das Wissen um die Unmöglichkeit, sie zu ordnen.
    Die europäischen Metropolen aber auch New York sind die Orte, in denen Giulia Karriere machen will, sie sind zugleich der Raum, den die Autorin Milada Součková als Europäerin durchmisst, ein für sie wegen seiner kulturellen Werte unvergänglicher Raum, auf den sie trotz der abendländischen Krise kulturell hofft, den sie für europäische Oper (im 19. Kapitel) reklamiert, den sie in ihrem großen Poem Sprechende Zone hymnisch und auf die Jahrtausendwende ihre Hoffnungen setzend besingt.
    Giulia ist kein Charakter, Giulia ist eine Figur. Es ist die weibliche Figur in der tschechischen Literatur, die sich am weitesten von Božena Němcovás »Großmutter« entfernt hat.
    Die Prager Autorin und Literaturwissenschaftlerin Daniela Hodrová spielt in ihrer Romantrilogie Città dolente mit Milada Součková als Romanfigur: »Theoretiker werden in ihr vielleicht einmal frühe Anzeichen der Postmoderne finden«, heißt es in Theta , im dritten Band, in dem man lesen kann, wie die Asche der Součková auf dem Olšaner Friedhof (dem Wolschaner Reich) verstreut wird.
    Folgt man der Ansicht Umberto Ecos, der im postmodernen Schreiben eine »Vorgehensweise, ein Kunstwollen« sieht, so hat Milada Součková schon in den vierziger Jahren einen Punkt erreicht, an dem sie ausgeprägte Romanformen der Moderne in Frage stellte und neue Möglichkeiten erprobte.
    Eduard Schreiber, 2010

KRISTIÁN SUDA: ANDERS ALS ICH LEBEN DIE MODERNEN AUTOREN
    »Zum Glück sind die Objekte, die uns erscheinen, immer bereits verschwunden. Zum Glück erscheint uns nichts in Echtzeit, ebenso wenig wie die Sterne am Nachthimmel.«
    (Jean Baudrillard, Das perfekte Verbrechen )
    Es gibt nicht viele Schriftsteller, die so konsequent und bewusst die Überzeugung vertreten, dass Sinn und Bedeutung des literarischen Textes im Augenblick des Schreibens entstehen und sich in einem eigenständigen, vom Autor unabhängigen Prozess, ohne Rücksicht auf dessen Absicht, Haltung und Kommentar, verändern. Es gibt nicht viele Schriftsteller, denen es gelingt, ihr Privatleben fast völlig zu verbergen und lediglich durch ihr Werk auf die individuelle Erfahrung mit Welt und Geschichte zu verweisen - obwohl gerade die frühe moderne Literaturwissenschaft ausdrücklich angenommen hat, der Schlüssel zum Verständnis eines Textes und seiner Interpretation beruhe einzig und allein auf der semantischen Hierarchie und Struktur des Werkes.
    Für die tschechische Schriftstellerin Milada Součková, die den Koryphäen des Cercle Linquistique de Prague nahestand (die sie auch unterstützten), war diese Annahme nicht nur methodischer Aspekt, sondern beinah ein ethischer Ausgangspunkt ihres Schreibens. Was wir heute über ihr Leben wissen, setzt sich aus wenigen amtlichen Protokollen und Dokumenten zusammen, fragmentarischen Erinnerungen ihrer Freunde und aus einigenNachkriegsbriefen, zumeist in Sammlungen in Universitätsarchiven und im Nachlass von Kollegen.
    Geboren in Prag am 24. Januar 1899 (Taufschein), besuchte sie das Mädchengymnasium Minerva, wo z.B. Milena Jesenská, aber vor allem eine Reihe späterer bedeutender Übersetzerinnen ihre Weggefährtinnen waren (Jahresbericht des privaten Mädchengymnasiums 1909-1918); es folgte ein Studium an der Karls-Universität, Fakultät für Naturwissenschaften, das sie 1923 mit einer Dissertation O dušením životě rostlin [ Über das Seelenleben der Pflanzen ] abschloss (die Karteikarte im Katalog der Fakultätsbibliothek mit einer Anmerkung über die Vernichtung alter Rigorosumsarbeiten in den fünfziger Jahren); dann ein einjähriger Studienaufenthalt in Lausanne (eine Erinnerung der Freundin); am 17. Juni 1930 Heirat mit dem Maler Zdeněk Rykr (Trauschein) …
    1934 gibt sie im Eigenverlag První písmena [ Die ersten Buchstaben ] heraus: eine Prosa, in der sie frei
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