Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beiß mich, wenn du dich traust

Beiß mich, wenn du dich traust

Titel: Beiß mich, wenn du dich traust
Autoren: Mari Mancusi
Vom Netzwerk:
bereits zu heilen. »Worauf warten wir?«, frage ich. »Lasst uns Sunny befreien.«

30
    Wir rennen die geschwungene Schlosstreppe  hinauf, Mom allen voran. Es sind nur noch zwei Minuten bis Mitternacht und wir müssen recht-zeitig zur Kirche gelangen.
    »Beeilung!«, rufe ich, obwohl ich weiß, dass alle so schnell laufen, wie sie können.
    »Es ist gleich hinter dieser Tür«, sagt Mom und bleibt vor einer schmuckvollen Buntglastür stehen. Sie beugt sich vornüber, die Hände auf den Knien, um zu Atem zu kommen. Magnus schiebt sich an ihr vorbei und stürmt ohne Zögern durch die Tür. Francis und ich folgen ihm auf dem Fuß.
    Ich schnappe nach Luft, als meine Augen nach der langen Zeit unter der Erde von dem grellen Licht geblendet werden. Beim Anblick der Kirche verschlägt es mir die Sprache. Zu behaupten, die Kirche sei schön, wäre ziemlich untertrieben, denn diese Kirche ist ein atemberaubendes Kunst-werk. Riesige Buntglasfenster, auf denen bekannte Märchen dargestellt sind, unterbrechen die goldgetäfelten Wände. Sitzbänke aus kostbarem dunklem Holz und mit roten Samtkissen säumen den Hauptgang. Der Altar, der auf einem Podest steht, ist mit funkelnden Juwelen geschmückt und von den Kristallkronleuchtern an der hohen Decke wird der Raum mit Licht überflutet.
    Mir scheint, wir sind nicht mehr in Disneyland . .
    Aber es sind die Hochzeitsgäste, die mich am meisten beeindrucken. Lauter Märchenwesen aus meiner Kindheit sitzen in den Bänken. Ich sehe Aschenputtel mit einem großen Kürbis auf dem Schoß. (Ihre Kutsche für die Heimfahrt?) Hänsel und Gretel naschen Lebkuchen aus einem Beutel. Rapunzel sitzt allein, denn ihre langen blonden Zöpfe beanspruchen eine ganze Bank-reihe für sich. Rumpelstilzchen ist auch da, die Kleider voller Stroh. Nennt mir eine Märchenfi-gur und sie ist wahrscheinlich hier dabei und sieht gespannt nach vorn zum Altar, wo eine wirklich märchenhafte Hochzeit stattfindet.
    Ich reiße meinen Blick von den Gästen los und blicke ebenfalls nach vorn. Ein tadellos gekleideter Elfenpriester ragt vor zwei Elfen auf -
    einem Mann und einer Frau -, die vor ihm knien.
    Ich kann nur ihre Rücken sehen, erkenne aber die schimmernden Flügel meiner Schwester. Sie trägt ein schlichtes, elegantes weißes Gewand im mittelalterlichen Stil. Ihr blondes Haar fällt ihr in dicken, glänzenden Locken über die Schultern.
    Unter anderen Umständen wäre ich supernei-disch, dass sie so gut aussieht.
    Ich packe Magnus' Arm und deute mit einem zitternden Finger nach vorn. Er nickt.
    »Falls jemand der Anwesenden hier einen Grund weiß, weshalb diese beiden nicht vermählt werden sollten ...«, sagt der Elfenpriester gerade.
    »Ich weiß einen!«, ruft Magnus mit lauter, heiserer Stimme. »Ich erhebe Einspruch!«
    Ein kollektives Japsen geht durch die Reihen und plötzlich ruhen alle Augen des Märchenreichs auf uns. Ein großer, böser Wolf knurrt von der Seite des Bräutigams und mindestens sechs Zwerge werfen uns böse Blicke zu. (Nur der mit der Schlafmütze schafft es nicht, die Augen zu öffnen.) Hühnchen junior fängt sogar an, durch den Mittelgang zu laufen und so laut zu krähen, dass die Kronleuchter schon gefährlich zittern, bis ihm eines der drei Schweinchen ein Bein stellt.
    Inmitten des Chaos erhebt sich ein hochge-wachsener Elf in dunklem Gewand von seinem Platz in der vordersten Reihe und richtet das Wort an uns. Es wird still in der Kirche, als er zu sprechen beginnt. Offensichtlich eine Art VIP.
    »Mit welcher Begründung erheben Sie Einwände, wenn ich fragen darf?«, verlangt er zu wissen.
    Magnus tritt vor, das Kinn nach vorn gestreckt, sein Blick grimmig. »Weil diese junge Dame mir gehört. Und ich werde sie heute mit nach Hause nehmen. Wenn nötig mit Gewalt.« Er hebt seine Eisenstange und die Hochzeitsgäste keuchen vor Entsetzen auf.
    »Nun, nun«, sagt der schwarz gekleidete Elf ruhig. Er tritt in den Gang hinaus und geht vor-sichtig auf Magnus zu, als hätte er es mit einer unberechenbaren Bestie zu tun. Was wohl irgendwie auch zutrifft, schätze ich. »Man muss doch nicht gleich mit Gewalt drohen, oder?« Er schüttelt den Kopf. »Wir sind ein friedfertiges Volk. Und würden niemals nehmen, was uns nicht gehört.« Er dreht sich zu meiner Schwester um, die uns mit erschrockenen Augen beobachtet.
    »Falls Prinzessin Sonnenschein ebenfalls der Meinung ist, dass sie zu Ihnen gehört, so soll sie natürlich mit Ihnen gehen. Aber ich denke, Sie unterliegen wohl einem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher