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Beiss mich - Roman

Beiss mich - Roman

Titel: Beiss mich - Roman
Autoren: Eva Voeller
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es angebracht, dass ich mich um seine Bedürfnisse kümmerte, während er sich durch seine Doktorarbeit ackerte. Meine Bekannten hatten mich samt und sonders gewarnt, doch ich wollte nicht hören. Nicht einmal auf meine beste Freundin Solveig, die in ihrem Urteil über Männer für gewöhnlich unbestechlich war. Damals war ich auf beiden Augen blind vor lauter Liebe. Rainer hatte es mir angetan, absolut und unwiderruflich, wie ich allen, die es nicht hören wollten, versicherte.
    Er selbst bestärkte mich nach Kräften in dieser Meinung. Ihm fehlte außer den beiden berühmten Buchstaben vor dem Namen nur noch eine tolle Frau zu seinem Glück, wie er sagte. Die tolle Frau war ich, was ich überaus schmeichelhaft fand, denn meiner Ansicht nach war er mir in ziemlich vielen Dingen turmhoch überlegen. Er war von Adel, und zwar von echtem altem Adel, wie seine Mutter – jetzt zum Glück meine Ex-Schwiegermutter – regelmäßig hervorhob. Das Geblüt derer von Stratmann ging in direkter Linie bis auf einen mittelalterlichen, aber überaus bedeutenden, da gräflichen Seitenzweig der
Hannoveraner zurück. Rainers Mutter erläuterte es mir mit notorischer Detailfreude anhand umfangreicher Genealogien in Form von Computerbögen. Da die Dinger im billigsten Nadelprintverfahren hergestellt waren, vermutete ich, dass irgendein zweifelhafter Familien- und Adelsforscher für ihren Ursprung verantwortlich zeichnete, gegen entsprechend überhöhtes Honorar versteht sich. Schwiegermama focht es nicht an. Hauptsache, man wusste, aus welchem Stall man kam.
    Geld war auch da, wenngleich es weder den Einkünften aus gräflichem Großgrundbesitz noch anderweitigem adligem Vermögen entstammte, sondern ebenso schlicht wie profan aus einer dicken Lebensversicherung kam, die Rainers Vater, ein pensionierter Notar, abgeschlossen hatte, bevor er von einer Embolie dahingerafft wurde. Das Geld wartete nur darauf, dass Rainer endlich seinen Doktor hatte; sobald das der Fall war, wollte Rainers Mutter aus dem Vollen schöpfen, alle Konten leer räumen und ihrem einzigen Sohn und Erben eine wunderbare Praxis in erstklassiger Lage schenken. Und so geschah es auch, mit der winzigen Einschränkung, dass das Anwesen, in dem Rainer später seine Praxis einrichtete, auf den Namen seiner Mutter eingetragen wurde.
    Die Ehe mit einem bürgerlichen No-Name-Geschöpf wie mir fand sie alles andere als passend, und sie ließ es mich merken, indem sie anlässlich diverser Familientreffen nicht mit spitzen Bemerkungen geizte. Zum Glück waren die Zeitabstände zwischen unseren gelegentlichen Anstandsbesuchen bei ihr zu groß, als dass ich mich ernsthaft hätte gekränkt fühlen können. Dabei kam uns entgegen, dass sie im hintersten Taunus wohnte und zu bequem war, öfter als einmal im Jahr nach Frankfurt zu fahren, weshalb sie sich auch damit begnügte, dass wir ab und zu bei ihr vorbeischauten.
    Nach allem, was ich inzwischen gehört habe, erfüllte sie unsere Scheidung nach kaum einem Jahr Ehe mit grenzenloser Erleichterung. Sie war darüber sogar so erbaut, dass sie das Haus und alles, was sonst noch aus besagter Lebensversicherung verfügbar war, sofort auf Rainer überschreiben ließ, als das Scheidungsurteil rechtskräftig war. Zu allem Überfluss erbte er nur wenige Wochen später von irgendeiner entfernten Tante in Übersee ein Aktienpaket, mit dem er auf einen Schlag so reich war, dass es mir die Tränen in die Augen trieb.
    Inzwischen konnte er es sich leisten, eine gewisse Großzügigkeit an den Tag zu legen, was seine Maßstäbe in Liebesdingen betraf. Je schneller sein Reichtum sich mehrte, desto größer wurden seine Freundinnen. Klein waren jetzt nur noch seine Angestellten. Seine Geliebten wählte er fortan unter den Walküren. Die letzte – diejenige, die er mit dem Porsche ausgestattet hatte – war über eins achtzig. Soweit ich es beurteilen konnte, war ich von all seinen Affären in den letzten Jahren bei Weitem die Kleinste. Vielleicht hatte er mich hauptsächlich deswegen geheiratet.
    Im Alter von fünfzehn Jahren wies ich eine wenig vielversprechende Größe von einem Meter und dreiundfünfzig Zentimetern auf, und meine Mutter, selbst immerhin akzeptable eins sechzig groß, hatte tröstend auf meinen Bruder verwiesen, der damals achtzehn Jahre alt und zwanzig Zentimeter größer war als ich.
    »Der Lucas ist auch erst mit fünfzehn so richtig in die Höhe geschossen«, hatte sie gemeint, und dann, wie zum Beweis: »Mein Gott, was war
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