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Beiss mich - Roman

Beiss mich - Roman

Titel: Beiss mich - Roman
Autoren: Eva Voeller
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wurden. »Du, ich wirble doch bloß den ganzen Staub durch die Luft!«, hatte er gejammert, als ich in einem Anfall von Gleichberechtigungsbedürfnis einmal gewagt hatte, ihm das Saubermachen anzutragen.
    Er konnte nicht kochen und wollte es auch nicht lernen. »Das brennt bei mir ja doch nur an, Schatz, also lass ich es künftig wohl lieber«, scherzte er einmal, nachdem die Sprinkleranlage das ganze Apartmenthaus, in dem wir lebten, wegen der Rauchentwicklung in unserer Küche unter Wasser gesetzt hatte. Oder, nach einer mittelschweren Explosion in unserer Küche: »Ich dachte, das Überdruckventil von diesem komischen Dampfdrucktopf schaltet sich automatisch runter.«
    Es war zwecklos. Keine Macht der Welt, geschweige denn eine introvertierte, zu klein geratene Blondine, wäre in der Lage gewesen, ihn umzuerziehen.
    Möglicherweise hätte ich über seine hausmännlichen Mängel hinwegsehen können – schließlich hatte ich gerade das Studium geschmissen, und bis zur Neueinschreibung im nächsten Semester hatte ich noch ein paar Monate Zeit –, doch in keinem Fall konnte ich mich mit seinem anderen charakterlichen Defizit abfinden, das sich mir nach einer Weile offenbarte.
    Er war untreu. Und zwar nicht nur einfach untreu im Sinne eines einmaligen Fehltritts, sondern untreu in Form reiner, unverwässerter, maßloser Vielweiberei. In den elf Monaten unserer Ehe hatte er mindestens ebenso viele Affären. Er war zerknirscht, als ich es herausfand – eine Freundin hatte mir gesteckt, was die Spatzen bereits von allen Campusdächern pfiffen –, doch er war gänzlich unfähig, sich anders zu verhalten, obwohl er es bei der ersten von vielen tränenreichen Szenen, die ich ihm zuteilwerden ließ, hoch und heilig versprochen hatte.
    Trotz aller Schwüre wurde er nur eine Woche später wieder mit einer Anderen gesichtet, dann kam die Nächste und dann das Aus.
    Er versuchte, Überzeugungsarbeit zu leisten. »Schau, die anderen, das sind doch nur Bumsis – mein Herzi, das bist allein du!«
    Seine Unterscheidung in zwei Frauenkategorien namens Herzi und Bumsi ließ mich zu dieser Zeit jedoch längst kalt. Mittlerweile hatte ich glasklar begriffen, dass mein Mann fürs Leben ein Mann zum Abgewöhnen war. Ich zog aus, kroch in der Wohnung von Solveig unter (die bald auch meine Wohnung wurde) und nabelte mich endgültig ab. Ich zog einen Schlussstrich unter meine missglückte Ehe und litt dabei wie ein Tier. Nie mehr, so schwor ich mir, würde ich diesen Fehler wiederholen. Solveig stand mir zur Seite und hielt Händchen. Außerdem riet sie mir dringend an, die Trennung offiziell zu machen. Der nächste Schritt führte mich folgerichtig zum Anwalt, der übernächste vor den Scheidungsrichter.
    Später ärgerte ich mich schwarz deswegen. Hätte ich nur ein halbes Jahr länger ausgeharrt und all die Bumsis ignoriert, wäre finanziell mehr für mich drin gewesen, denn er fing sofort nach unserer Scheidung an, monströs viel Geld zu verdienen. Zuvor hatte es angeblich wegen der Schulden, die er – vorwiegend aus Steuergründen – zur Einrichtung der Praxis aufgenommen hatte, nur für einen winzigen nachehelichen Unterhalt gereicht, den mein Anwalt im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung für mich hatte herausschlagen können. Dieses Arrangement war zudem auf vier Jahre begrenzt, denn es war dafür gedacht, dass ich meine für die Ehe aufgegebene Ausbildung nachholen konnte. Außerdem hatte ich im Gegenzug auf allen Zugewinn verzichten müssen. Eigentlich fand ich damals alles sehr fair.
    Hätte ich allerdings geahnt, dass Rainer alles unternehmen würde, um sich vor den ohnehin mickrigen monatlichen Zahlungen zu drücken, hätte ich mich nicht darauf eingelassen. Bislang hatte er nur sporadisch die eine oder andere Rate angewiesen, meist kam überhaupt nichts. Ständig erfand er deswegen neue Ausreden. Einmal hatte die Bank gerade zugemacht, als er die Überweisung einreichen wollte, ein anderes Mal war er auf einem Fortbildungskongress in New York. Dann wieder wusste er vor lauter Arbeit und Stress nicht, wo ihm der Kopf stand, oder er hatte wieder mit dieser schlimmen Rückensache zu tun. Wenn ihm auch sonst nichts einfiel – die schlimme Rückensache passte immer. Die schlimme Rückensache war ein typisches Zahnarztleiden, das mit der einseitig gekrümmten Haltung beim Bohren und Schleifen einherhing und das Rainer gerade in Zeiten vermehrten Stresses häufig befiel. Dass ich mit meinem unangemeldeten Erscheinen zwecks
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