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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester
Autoren: Jodi Picoult
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daß alles, was ich tue oder sage, doppelt so anstrengend ist wie sonst.
    Ich bin jetzt schon eine ganze halbe Stunde in medizinischen Fragen aus der elterlichen Gewalt entlassen. Campbell sagt, der Regen sei ein Segen, weil er die Journalisten verscheucht hat. Vielleicht lauern sie mir im Krankenhaus auf, vielleicht auch nicht, aber dann bin ich ja bei meiner Familie, und es spielt keine Rolle mehr. Meine Eltern sind schon vorgefahren. Wir mußten noch diesen dämlichen Papierkram erledigen. Campbell hat angeboten, mich bei ihnen abzusetzen, wenn wir fertig sind, was ziemlich nett ist, schließlich wäre er jetzt bestimmt viel lieber mit Julia zusammen. Die beiden denken anscheinend, das mit ihnen wäre ein Riesengeheimnis, aber da täuschen sie sich gewaltig. Ich frage mich, was Judge wohl macht, wenn die beiden nur Augen füreinander haben. Ob er sich ausgeschlossen fühlt.
    Â»Campbell?« frage ich unvermittelt. »Was meinen Sie, was ich machen soll?«
    Er tut nicht so, als wüßte er nicht, was ich meine. »Ich habe gerade für dich das Recht erfochten, eigene Entscheidungen zu treffen, deshalb werde ich dir jetzt nicht sagen, was ich denke.«
    Â»Na toll«, sage ich und rutsche tiefer in den Sitz. »Ich weiß doch noch nicht mal, wer ich wirklich bin.«
    Â»Ich weiß, wer du bist. Du bist mit Abstand die beste Türknaufpoliererin an der gesamten Ostküste. Du hast ein vorlautes Mundwerk, und du ißt am liebsten nur die roten Gummibärchen aus der Tüte, und du haßt Mathe und –«
    Es ist irgendwie cool, wie Campbell sich bemüht, mich zu beschreiben.
    Â»â€¦ du magst Jungs?« endet er, aber das war eine Frage.
    Â»Manche sind ganz in Ordnung«, räume ich ein, »aber wahrscheinlich werden sie mal alle so wie Sie, wenn sie groß sind.«
    Er lächelt. »Gott bewahre!«
    Â»Was machen Sie denn jetzt als nächstes?«
    Campbell zuckt die Achseln. »Ich glaube, ich muß mir tatsächlich mal einen zahlenden Mandanten suchen.«
    Â»Damit Sie Julia auch weiterhin den Lebensstil bieten können, an den sie gewöhnt ist?«
    Â»Ja«, erwidert er lachend. »So ungefähr.«
    Wir schweigen einen Moment, und ich höre nur noch das nasse Schaben der Scheibenwischer. Ich schiebe die Hände unter die Oberschenkel und setze mich drauf. »Was Sie da bei der Anhörung gesagt haben … meinen Sie wirklich, daß ich in zehn Jahren umwerfend sein werde?«
    Â»Nanu, Anna Fitzgerald, wollen Sie Komplimente hören?«
    Â»Schon gut, ich hab nichts gesagt.«
    Er schielt zu mir rüber. »Ja, das glaube ich. Ich könnte mir denken, daß du Männerherzen brichst oder auf dem Montmartre Bilder malst oder Kampfjets fliegst oder Expeditionen in unerforschte Länder unternimmst.« Er hält inne. »Vielleicht auch alles zusammen.«
    Es hat mal eine Zeit gegeben, da wollte ich Ballerina werden wie Kate. Aber seitdem hatte ich noch tausend andere Ideen: Ich wollte Astronautin werden. Ich wollte Paläontologin werden. Ich wollte Background-Sängerin für Aretha Franklin werden, Kabinettsmitglied, Ranger im Yellowstone Nationalpark. Im Augenblick will ich, je nach Stimmung, mal Mikrochirurgin, mal Schriftstellerin und mal Geisterjägerin werden.
    Nur eines bleibt immer gleich. »In zehn Jahren«, sage ich, »wäre ich gerne immer noch Kates Schwester.«
    BRIAN
    Mein Pieper meldet sich, als Kate gerade an die Dialyse angeschlossen wird. Schwerer Autounfall mit Verletzten. »Ich werde gebraucht«, sage ich zu Sara. »Kommst du klar?«
    Der Rettungswagen rast zur Kreuzung von Eddy und Foutain Street, schon immer ein Gefahrenpunkt, erst recht bei diesem Wetter. Als ich eintreffe, hat die Polizei die Unfallstelle bereits abgesperrt. Die beiden Fahrzeuge sind T-förmig ineinander verkeilt, durch die Wucht des Aufpralls zu einer einzigen Masse aus verbogenem Metall zusammengepreßt. Der Pick-up ist glimpflicher davongekommen; der kleinere BMW hat sich wie ein Lächeln um seinen Kühler herumgewunden. Ich steige aus dem Wagen und laufe durch den strömenden Regen zu dem erstbesten Polizisten. »Drei Verletzte«, sagt der. »Einer ist schon auf dem Weg ins Krankenhaus.«
    Ich sehe Red mit der Blechzange an dem Pkw arbeiten, er will von der Fahrerseite an die Opfer herankommen. »Was haben wir?« rufe ich über das Sirenengeheul hinweg.
    Â»Die
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