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Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Titel: Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman
Autoren: Dora Heldt
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dieses Lied?
    ›Geile Zeit‹? Es war eine gewesen. Vielleicht erschien sie ihr im Moment vom Weißwein, von diesem drohenden Geburtstag |31| und einer neunzehnjährigen Vegetarierin verklärt, aber trotzdem: Es war eine geile Zeit. Eine der besten, die sie in ihrem Leben gehabt hatte.
    Ihr schossen Tränen in die Augen, sofort wischte sie sie weg. Wieso wurde sie bloß so scheißsentimental? Es passierte ihr immer öfter, sie heulte bei Siegerehrungen im Fernsehen, bei Filmen mit kleinen Tieren, bei alten Schlagern mit unfassbar schlechten Texten. Sie hatte sich nicht mehr unter Kontrolle.
    Im selben Moment, als sie sich räusperte und die Tränen herunterschluckte, hörte sie das Telefon klingeln. Nach einem weiteren Räuspern nahm sie das Gespräch an.
    »Goldstein-Wagner.«
    »Wo warst du denn vorhin? Ich habe schon dreimal angerufen.«
    Margret Goldstein klang wie immer beleidigt.
    »Hallo, Mama, ich war beim Friseur.« Doris klemmte den Hörer unters Kinn und griff nach dem Sparschäler und einer Zucchini.
    »Schon wieder? Du warst doch erst. Das ist gar nicht gut für die Haare, dieses dauernde Strähnchenfärben.«
    »Was wolltest du denn?« Doris konzentrierte sich auf die grüne Schale, nur damit sie ruhig blieb.
    »Ich habe vorhin mit Moritz telefoniert. Der kommt ja heute zu euch. Mit seiner neuen Freundin. Das ist wirklich blöd.«
    »Wieso?«
    »Weil ich sie auch gerne kennengelernt hätte. Aber ich spiele freitags immer Doppelkopf. Da hättest du ja auch dran denken können. Das kann ich jetzt nicht mehr absagen.«
    |32| Doris legte den Sparschäler zur Seite und atmete tief durch. »Das musst du ja auch nicht. Moritz will doch nur seine Tauchsachen abholen. Er hat selbst gesagt, ich soll nicht so ein Tamtam machen, sie wollen gar nicht lange bleiben. Das wird keine große Familienzusammenkunft. Ich koche noch nicht mal groß.«
    Ihre Mutter schnaubte. »Es ist doch wohl nicht zu viel verlangt, wenn ich mir die Freundin meines Enkels ansehen möchte. Als ob du dadurch so viel mehr Arbeit hättest. Du bist in letzter Zeit dermaßen komisch   …«
    Ihre Mutter hatte damit nicht grundsätzlich unrecht, nur jetzt gab es wirklich überhaupt keinen Anlass zu diesem Satz.
    Doris ließ das Wasser laufen und hielt ihre Handgelenke darunter. Sie hatte keine Lust, sich aufzuregen.
    »Wie auch immer, Mama, es ist ja nicht das letzte Mal, dass Moritz nach Hause kommt. Demnächst machen wir ein Essen, dann kannst du seine Freundin ja begutachten. Für heute wünsche ich dir viel Spaß beim Doppelkopf.«
    »Ich habe Bettwäsche für Moritz gekauft. Die soll er mitnehmen. Sag ihm doch, dass er auf dem Weg zu euch hier noch anhält. Sonst steht die Tüte ewig im Flur.«
    »Mama, ruf ihn doch selbst an. Du hast doch seine Handynummer.«
    »Er geht nicht dran.«
    Doris spürte schon wieder eine Hitzewelle anrollen. Mit geschlossenen Augen atmete sie durch die Nase ein. Ganz ruhig bleiben, nichts anmerken lassen.
    »Dann wird er bei mir auch nicht drangehen. Er soll ein anderes Mal bei dir vorbeikommen. Außerdem hat er genug Bettwäsche von hier mitgenommen.«
    Ein kleines Rinnsal lief ihr von der Schläfe über die Wange.
    |33| Ihre Mutter ließ nicht locker. »Du meinst doch wohl nicht die ausgemusterte Wäsche von euch? Ich bitte dich, junge Leute müssen doch mal was Modernes haben.«
    »Mama, bitte!« Doris’ töchterliche Selbstbeherrschung schwand rapide. »Reg mich nicht auf.«
    »Kind, ich verstehe wirklich nicht, warum du so gereizt bist. Also, ehrlich   …«
    »Ich bin nicht gereizt. Ich habe nur keine Zeit, so lange zu telefonieren.«
    »Wie meinst du das denn jetzt? Ich denke, du kochst heute nicht.«
    Doris rieb sich die Stirn. »Ich koche nicht groß, aber ich koche. Lass uns in den nächsten Tagen wieder telefonieren, ja? Schönen Abend noch.«
    Ihre Mutter schnappte nach Luft. »In den nächsten Tagen? Du meldest dich doch nie.«
    »Mama.« Doris fühlte ein Pochen in der Schläfe. Wenn das hier noch länger dauerte, würde sie gleich stechende Kopfschmerzen bekommen. »Wie gesagt, ich muss jetzt was tun. Tschüss.«
    Sie legte auf und wartete. Und zwar genau zwölf Sekunden, dann setzte das Klingeln wieder ein.
    »Ja, Mama?«
    »Kennen Friedrich und Hannelore die neue Freundin von Moritz schon?«
    »Nein, Mama.« Doris hätte mit dieser Wendung rechnen müssen. Margret Goldstein war seit fast dreißig Jahren eifersüchtig auf die Schwiegereltern ihrer Tochter. Weil Wagners so erfolgreich waren,
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