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Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman

Titel: Bei Hitze ist es wenigstens nicht kalt - Roman
Autoren: Dora Heldt
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Einladung und las danach die zweite Seite, atmete aus und las alles noch einmal langsam.
     
    Hallo, Anke,
    jetzt ist unser dreißigjähriges Abiturtreffen schon wieder ein Jahr her und somit auch unser letztes Treffen. Müssen
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wir eigentlich immer Anlässe haben, um uns alle zu sehen? Das ist doch dämlich, oder? Aber wenigstens gibt es mal wieder einen Anlass. Ich weiß nicht, wann Du das letzte Mal mit Doris telefoniert hast und ob Du auf dem Laufenden bist, aber meine Frau weigert sich kategorisch, diesen Geburtstag zu feiern. Sie findet es demütigend, fünfzig zu werden. (Das waren tatsächlich ihre Worte.)
    Mir ist es ein Rätsel, warum sie sich solche Gedanken macht, also habe ich beschlossen, dass sie feiern muss. Wohin es geht, sage ich nicht, seid sicher, dass es ein toller Tag wird. Ich habe ja unsere ganze alte Clique eingeladen und bin mir sicher, die Stimmung wird wie früher sein, als wir noch alle jung und unerschrocken waren. Deswegen müsst Ihr dabei sein, Du und Katja, Ihr seid doch das Traumtrio gewesen.
    Also dann, denkt daran, dass alles topsecret ist, nicht, dass Doris doch noch etwas ahnt und einfach vorher durchbrennt.
    Jedenfalls freue ich mich auf ihr Gesicht.
    Liebe Grüße, Torsten
     
    P.   S.   Und bitte: Nichts verraten! Ich freue mich.
     
    Anke ließ den Brief sinken und starrte aus dem Fenster. Was für eine bescheuerte Idee. Wenn Doris nicht feiern wollte, dann wollte sie eben nicht. Und es war klar, dass Torsten nicht kapierte, warum seine Frau diesen Geburtstag als demütigend empfand. Er war eben ein Mann und hatte früher schon selten nachgedacht.
    Anke überlegte, wie lange sie sich eigentlich kannten. Es |11| mussten fast fünfunddreißig Jahre sein. Großer Gott. Wie das schon klang. Uralt.
    Sie hatten zusammen Abitur gemacht. Doris, Katja und sie waren in einer Schülerzeitungsredaktion gewesen. Drei völlig unterschiedliche Mädchen, die sich gut ergänzten. Nicht mehr und nicht weniger. Allerdings waren sie ein gutes Team. Drei Preise hatte ihre Zeitung bekommen. Sie hieß ›Wilde Wörter‹. Chefredaktion Anke Kerner, Layout und Fotos Doris Goldstein, Text Katja Severin. Es war gefühlte zweihundert Jahre her. Mittlerweile hieß Doris nicht mehr Goldstein, sondern Goldstein-Wagner, natürlich ein Doppelname, so viel Zeit muss sein, und die Farbe von Katjas mahagonifarbener Mähne kam aus der Tube.
    Anke schob ihren Kaffeebecher zur Seite und strich den Brief glatt. Wirklich eine blöde Idee. Wie kam Torsten nur auf einen solchen Schwachsinn? Jetzt würde sie ihn auch noch anrufen müssen, um ihm zu sagen   … ja, was eigentlich? Dass sie an diesem Tag keine Zeit hätte? Und keine Lust? Das fehlte ihr noch: ein ganzer Tag sentimentales Geschwätz über alte Zeiten. Das Abitreffen vor einem Jahr und das Essen, zu dem Torsten kurz danach eingeladen hatte, waren ihr schon zu viel gewesen. Wie Doris wohl reagierte? Und ob Katja kommen würde?
    Mit Doris telefonierte sie ab und zu, allerdings rief sie selbst nie an. Immer nur Doris. Bei den letzten Telefonaten hatte Anke das Gefühl gehabt, Doris wäre ein bisschen angetrunken gewesen. Es war aber nur so ein Gefühl, das Telefonat hatte nicht lange genug gedauert. Sie hatten sich nicht mehr richtig viel zu erzählen.
    Mit Katja hatte sie tatsächlich bis zu diesem Abitreffen überhaupt keinen Kontakt gehabt. Katja Severin. Die |12| Schönste der Schule. Alle Typen waren in sie verknallt, es war kaum auszuhalten gewesen. Und dann hatte sie natürlich die ganz große Karriere gemacht. Volontariat, Studium und anschließend Moderatorin eines täglichen Boulevardmagazins im Fernsehen. Anke hatte sie jeden Abend gesehen. Vor zwei Jahren war Katja dann plötzlich weg vom Bildschirm. Auf dem Treffen hatte sie erzählt, dass sie jetzt das Regionalbüro in Kiel leite, sie sei es leid, auf der Straße ständig erkannt zu werden. Wer’s glaubt   …, hatte Anke im Stillen gedacht, aber zugeben müssen, dass Katja sich wirklich kaum verändert hatte. Sie sah aus wie Mitte dreißig und redete auch so. Anke fühlte sich alt und grau neben ihr, obwohl Katja ein halbes Jahr älter war. Manchmal werden Gene ungerecht verteilt, genauso wie das Geld, das man für Schönheitskorrekturen ausgeben muss.
    Entschlossen faltete Anke den Brief zusammen und schob ihn unter die Obstschale. Sie würde diese Albernheit nicht mitmachen, Sentimentalitäten wollte sie sich nicht leisten. Sie nicht. Mit einem Knirschen in den Knien stand sie auf
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