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Bei Anruf - Angst

Bei Anruf - Angst

Titel: Bei Anruf - Angst
Autoren: Stefan Wolf
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natürlich, denn auch
Karls Eltern schliefen noch — und später in die Küche. Auf der Anrichte stand
eine große Thermoskanne mit Tee. Unter sie war ein Zettel geschoben: für den
Frühaufsteher Tim!
    Klößchen hat Recht, dachte er
schmunzelnd, Karls Mutter ist zum Küssen.
    Eine Tasse, fast so groß wie
eine Suppenterrine, wurde bis zum Rand voll geschenkt. Kein Zucker! Nie! Aber
Sahne. Dann setzte sich Tim in das Balkonzimmer, wo ein Telefon stand: auf
einem Beistelltischchen mit unterer Etage. Auf der lagen die beiden
dickwanstigen Telefonbücher der Millionenstadt. Und ein Branchenverzeichnis, in
dem nahezu alle Berufsgruppen, Dienstleistungsbetriebe und Firmen aufgelistet
sind. Natürlich — nach Gauklern, Bodyguards, Schuldeneintreibern und
Taschendieben sucht man vergebens. Aber Spirituosen-Hersteller, dachte Tim,
müssen doch zu finden sein.
    Er schlürfte Tee und blätterte.
    Nicht nur die Stadt, auch das
Umland war aufgeführt, sogar über die angrenzenden Landkreise hinaus.
    Nach beendeter Nachforschung
hatte er sechs Adressen und Rufnummern auf dem Notizblock notiert.
    Vier davon schieden eigentlich
schon beim Hingucken aus. Das waren weltbekannte Firmen, hochgeschätzt und fast
genauso seriös wie das Erzbischöfliche Ordinariat (oberste Verwaltungsstelle ),
trotz der — gesundheitlich durchaus bedenklichen — Produktion alkoholischer
Getränke, die ja bekanntlich zu Sucht, körperlich-geistigem Verfall, sozialem
Abstieg und Verelendung führen können.
    Um diese Marktführer, dachte
Tim, kümmern wir uns nur, wenn die andern Adressen Sackgassen sind.
    Übrig blieben: Hardlaib-Spirituosen,
Otto Brenner KG und die Firma Specht-Spirituosen in dem Dorf
Hinterflecken.
    Karl kam herein, ebenfalls
ausgerüstet mit einer Tasse Tee, aber noch im Schlafanzug.
    „’n Morgen! Willst du Gaby
anrufen?“
    „Nicht um diese Zeit. Auch
Mädchen brauchen ihren Schönheitsschlaf — nicht nur wir.“
    „Wenn das so ist, wird uns
Klößchens Schönheit nachher blenden. Er schnarcht noch.“
    Karl sah Tim über die Schulter.
    „Aha!“
    „Hast du eine bessere Idee?“
    „Herr Glockner fand es nicht so
toll, was du dir ausgedacht hast.“
    „Es muss aber eine Erklärung
geben für das geplante Likör-Verbrechen in Tirol, in St. Amarusetta. Olivia hat
das bestimmt nicht aus Jux gesagt. Dazu passt auch, dass sich ihr mieser Bruder
mit seinem Komplizen dort aufhält und nicht sonstwo. Tirol hat ja zigzigzig
Ferienorte. Und St. Amarusetta ist bestimmt nicht der schönste. Oder hast du
schon mal davon gehört — von paradiesischer Landschaft, Alpenglühen,
Klettergärten in steiler Felswand und Sporthotels, die Wellness ( Wohlfühl-Kurse )
anbieten? Natürlich nicht. Denn bekannt ist Amarusetta offenbar nur wegen
seines Likörs. Und dem steht jetzt Zoff ins Flaus, in die Brennerei, bzw.
Destillation.“
    „Schon gut, Tim. Ich weiß ja.
Wenn dich eine Idee packt, dann ziehst du sie durch. Du hast Hardlaib und
Specht angekreuzt?“
    „Meine Nase sagt mir, dass wir
dort schnüffeln sollten.“
    „Wo zuerst?“
    „Wir brauchen Bewegung. Mit den
Bikes nach Hinterflecken — das wär doch was.“
    „Mit Gaby?“
    „Niemals ohne meine Gaby.
Nachher holen wir sie ab.“ Karls Mutter schob den Kopf zur Tür herein. „Guuuuuten
Morgen! Schon auf?! Na, dann kann ich ja Frühstück machen.“
    „Bei Ihnen, Frau Vierstein“,
rief Tim, „ist es immer wie im Grandhotel.“

20. Zerquetscht an der Leitplanke
     
    Hinter Adolf Tagner knirschte
vereister Sand — ein Klumpen, der vom linken Vorderreifen des Landrovers
zerkrümelt wurde.
    Der Schleuser, immer noch
kniend, wandte sich um. Er wollte aufschreien, aber für eine Sekunde lähmte der
Schreck ihm die Stimmbänder.
    Nur einen halben Meter hinter
ihnen beiden ragte der Landrover auf, drohend wie eine metallische Wand, die
jetzt auf sie kippen würde. Der Wagen rollte — er rollllllte!!! Fast dass die
hintere Stoßstange Tagner schon berührte.
    Mit einem Schrei, der mehr ein
Gurgeln war, warf er sich zur Seite. Es gelang nur halb. Kopf und Körper
schnellten aus der Gefahrenzone, aber die Beine blieben ob der knienden Haltung
ohne Abstoß, ohne Schwung.
    „Was ist...?“
    Dietmar fummelte mit einer
Zange an den Schrauben der Leitplanke, war darauf konzentriert und konnte nicht
mehr reagieren.
    Der zweistimmige Schrei — Adolf
brüllte vor Schmerzen, Dietmar in Todesangst — hallte wider von den eisigen
Bergflanken.
    Der rechte Hinterreifen
überrollte Adolfs
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