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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer
Autoren: Marie Christen
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habe, die Ihr mir berichten werdet. Dies…«, Philipp griff nach einem versiegelten Pergament, »… ist Eure Legitimation für die Ratsherren von Brügge und die Beginen.«
    Der Graf nahm das Dokument entgegen und beugte gehorsam den Nacken. »Das sind alle Eure Befehle, Sire?« Zu gerne hätte er auch gefragt, welchen Grund der König hatte, ausgerechnet ihn nach Brügge zu senden. Irgendwie war ihm nicht ganz wohl bei diesem Auftrag. Aber er wusste auch, dass er auf eine solche Frage keine Antwort erhalten hätte. Er musste sich mit einem knappen Gruß begnügen. »Das sind sie. Geht mit Gott.«
     
     
     
    I M A UFTRAG S EINER H EILIGKEIT
    Avignon im Oktober 1309
     
    Die bescheidene Kutte des Zisterziensermönchs schob sich wie eine graue Wolke durch das Rot und Violett der Soutanen. Sie streifte florentinische Brokate, pelzgefütterte Umhänge und Schleierstoffe aus den Ländern der Ungläubigen. Das Dominikanerkloster von Avignon war mit dem Einzug des Papstes von einer Welle des Luxus und der Verschwendung überschwemmt worden. Kirchliche Würdenträger, Edelmänner und deren Gefolge, Künstler, Handwerker, Büßer und vor allen Dingen Frauen strömten nach Avignon, um den Segen des Heiligen Vaters zu erhalten und bei dieser Gelegenheit ein paar Worte in eigener Sache mit ihm zu wechseln. Bruder Simon hatte die Hände in den Ärmeln seiner Kutte verschränkt und die Kapuze des Habits über den Kopf gezogen. Die Augen zu Boden gesenkt, eilte er durch die Menge. Wie alle anderen wusste er, dass Seine Heiligkeit sich für Avignon entschieden hatte, weil die Stadt nicht dem König von Frankreich, sondern seinem Bruder Karl von Valois gehörte. Karl, Graf der Provence und durch seine Heirat mit Margarete von Anjou und Sizilien auch König von Sizilien, war in dieser letzten Eigenschaft ein Vasall des Heiligen Stuhles. Ein kleiner, aber feiner Unterschied, den der Heilige Vater schätzte. Die Erlebnisse seines Vorgängers Bonifaz, der im Zuge des Zwistes mit der französischen Krone 1303 in Anagni, vor den Toren Roms, von Guillaume de Nogaret gefangen gesetzt und von den Truppen der Colonnas bedroht worden war, mahnten ihn zur Vorsicht.
    Clemens V. gedachte sich am Ufer der Rhône für längere Zeit einzurichten, aber er hatte es abgelehnt, im Palast des Bischofs von Avignon Wohnung zu nehmen. Das Dominikanerkloster schien ihm für seine Bedürfnisse besser geeignet. Er hatte es binnen kurzer Zeit in eine Mischung aus Residenz, Baustelle und ständig wachsender Machtzentrale verwandelt. Den Mönch erinnerte dieser Zufluchtsort mittlerweile an den biblischen Tempel von Jerusalem. Überall wurden wichtige Aufträge vergeben und Gewinn bringende Ämter verkauft. Die Anwärter auf beides drängten sich in Gängen und Vorzimmern wie Bienen in ihrem Stock. An manchen Tagen hatte er das Bedürfnis, all die Händler, Schacherer und Blender hinauszuwerfen. Dann bereute er es, den Frieden des Klosters von Fontenay in seinem versteckten Tal aufgegeben zu haben, um einer der Sekretäre Seiner Heiligkeit zu werden. Er war nur einer von vielen. Emsig, aber bedeutungslos. Die Gebete, das Schweigen und die Besinnung, die den Tag eines Zisterziensermönchs ausfüllten, hatten ihn nicht auf den weltlichen Trubel im Haushalt des obersten Kirchenhirten vorbereitet. Seit sie im August des vergangenen Jahres Poitiers verlassen hatten, entsann er sich zahlloser Städte, Klöster und Burgen. Lusignan und St. Émilion waren darunter, Saint Macaire, Toulouse, Comminges, Montpellier und Orange. Überall hatten sie Wohnung genommen, Hochämter gefeiert und Empfänge gegeben. Als sie am 9. März 1309 endlich in Avignon eingetroffen waren, hatte er gehofft, es würde Ruhe einkehren. Das Gegenteil war der Fall gewesen. Auch heute herrschte ein babylonisches Sprachengewirr aus Latein, Französisch und Italienisch, sogar die melodiösen Laute des Provenzalischen, die er kaum verstand, waren darunter. Den Stoßseufzer des italienischen Kardinals neben ihm konnte er sowohl begreifen wie nachfühlen. »Ich hoffe nur, wir bleiben nicht so lange in Avignon wie die Kinder Israels während ihrer siebzigjährigen Gefangenschaft in Babylon. Seine Heiligkeit hat bei seiner Weihe in Lyon versprochen, dass wir nach Rom zurückkehren werden. Avignon mag einem seiner Vasallen gehören, aber der Einfluss des Königs reicht sehr wohl bis in den Süden.«
    »Rechnet nicht damit, dass er tatsächlich nach Rom geht«, erwiderte sein Gesprächspartner. »Er mag der
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