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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer
Autoren: Marie Christen
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Sache.
    »In den letzten Monaten haben sich die Beschwerden über die Gemeinschaften der Beginen gehäuft. Die heilige Kirche sieht sich zum Handeln gezwungen. Es geht nicht an, dass diese Frauen denken, sie könnten sich dem ordnenden Einfluss unserer Bischöfe entziehen. Es ist sündig, dass sie für weltliche Geschäfte ihre Gebete vernachlässigen und sich anmaßen, eigene Entscheidungen treffen zu wollen. Ehe Wir indes zu einer endgültigen Verurteilung ihrer Lebensweise kommen, benötigen Wir genaues Wissen über die Art ihrer einzelnen Verfehlungen.«
    Bruder Simon hatte als päpstlicher Schreiber auf viele dieser Beschwerden geantwortet. Er begriff sehr wohl, was Seiner Heiligkeit an den religiösen Frauenvereinigungen missfiel, deren Mitglieder meist allein stehende Frauen und Witwen waren. Sie verpflichteten sich zwar zu einem religiösen Leben, aber sie waren keine Ordensgemeinschaft. Sie pflegten Kranke und nahmen sich der Armen an, doch sie arbeiteten auch für ihren Lebensunterhalt, indem sie Tuche, Bänder, Spitzen, Kerzen, Seife und vieles andere fertigten und verkauften. Jede Frau, die sich einem Beginenkonvent anschloss, brachte ihr persönliches Vermögen in die Gemeinschaft ein, wo es unter anderem dazu diente, ihren Lebensunterhalt und die Kosten für ihre Wohnstatt zu bestreiten sowie die Rohstoffe für die Handwerkerinnen anzuschaffen. Verließ sie die Beginen, um wieder ein bürgerliches Leben zu führen oder gar zu heiraten, konnte sie dieses Vermögen nach genauer Aufrechnung wieder mit sich nehmen. In den meisten Fällen hatte es sich vermehrt, denn die Geschäftstüchtigkeit der Beginen erregte mittlerweile sogar den Neid von Handwerkern und Händlern. »Ihr werdet nach Brügge reisen, um Euch für Uns ein Bild von der dortigen Lage der Beginen zu machen. Der prinzliche Beginenhof vom Weingarten ist der passende Ort, ein Exempel zu statuieren. Er untersteht in weltlichen Fragen Seiner Majestät dem König von Frankreich, in geistlichen Dingen dem Bischof von Cambrai.« Seine Heiligkeit hielt kurz inne und gab Bruder Simon Zeit, sich daran zu erinnern, dass der Bischof von Cambrai niemand anderer als der Bruder von Enguerran de Marigny war, einem der engsten Ratgeber Philipps des Schönen. Kein Wunder, dass der Papst die Loyalität Seiner Eminenz nicht auf die Probe stellen wollte.
    »Uns sind zudem Anschuldigungen zu Ohren gekommen, dass die Beginen das Wort Gottes predigen und häretische Schriften verbreiten«, sprach er jetzt weiter. »Wir vertrauen auf Euch, Bruder, dass Ihr in Verschwiegenheit und Klugheit die nötigen Beweise sammelt, damit Wir das leidige Beginenproblem im Sinne der heiligen Mutter Kirche lösen können. Je eher sich diese Frauen einer gestrengen Ordensregel unterwerfen, umso besser ist es für ihr Seelenheil. Ihr seid ab sofort ein Wanderprediger. Ein frommer Mann auf der Suche nach der göttlichen Wahrheit. Seht es als Pilgerfahrt an.« Im Sinne der heiligen Mutter Kirche hieß vermutlich, dass die Beginen ein Ordensgelübde ablegen sollten, damit ihre Höfe und Konvente in Kirchenbesitz übergingen. Alles in Bruder Simon sträubte sich dagegen, der Handlanger eines solchen Planes zu sein. Es sah zu sehr danach aus, als würde das Seelenheil der Beginen nur vorgeschoben, damit die Kurie freie Hand über ihr Vermögen erhielt.
    »Verzeiht, Heiliger Vater, aber selbst wenn ich in Brügge Beweise für solche Anschuldigungen finde, bedeutet das doch nicht, dass in allen beginischen Gemeinschaften gesündigt wird.«
    »Das soll nicht Eure Sorge sein, mein Sohn. Gehorcht und geht nach Flandern. Der Erzdiakon hält Euch für klug. Der Brügger Beginenhof ist ein eigener Pfarrbezirk, und der dortige Priester wird einem wandernden Prediger mit Sicherheit Herberge bieten. Wir erwarten Euren Bericht. Ihr geht mit dem Segen Eures himmlischen Vaters.«
    Eine unmissverständliche Verabschiedung. Bruder Simon musste sich ehrerbietig verneigen und das Gemach verlassen. Weitere Einsprüche waren nicht erwünscht. Wie komme ich zu diesem unerfreulichen Auftrag?, fragte er sich verblüfft und erhielt die Antwort von Kardinal Pellegrue: »Seht Ihr vielleicht Bruder Étienne nach Flandern reiten? Er fiele schon auf der Brücke über die Rhône vom Pferd, und das Gleiche lässt sich von ein paar anderen sagen, die in Frage kämen. Für eine solche Mission seid Ihr als Ritter erzogen worden, mein Freund. Ihr könnt ein Pferd reiten, Euch notfalls verteidigen, und Eure Ergebenheit für
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