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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer
Autoren: Marie Christen
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Frankreich, zählte zu den wenigen Menschen, die ihn nicht fürchteten. Nogaret konnte ihn weder bedrohen noch einschüchtern. Die Pariser hingegen nannten den Siegelbewahrer hinter vorgehaltener Hand le terrible, den Schrecklichen. Andrieu deutete einen stummen Gruß an und wartete darauf, dass Nogaret das Wort ergriff.
    Der spitzfindige Doktor der Rechte aus Montpellier registrierte seine Gelassenheit mit einem kaum angedeuteten Heben der Brauen, ehe er endlich »Seine Majestät erwartet Euch, Graf« sagte.
    Mit jedem anderen hätte Andrieu ein paar Sätze gewechselt, aber nicht mit Nogaret. Bei diesem unbeugsamen, oft brutalen Mann musste man die Worte zu sorgsam bedenken. Daher beschränkte er sich auf eine schweigende Verbeugung und stellte sich innerlich auf die Begegnung mit dem König ein. Mathieu von Andrieu diente dem König von Frankreich in absoluter Treue und unerschütterlicher Loyalität, aber er ließ nicht zu, dass Gefühle sein Handeln bestimmten. Die Jahre hatten ihn zu einem Mann gemacht, der auf seinen Verstand und nicht auf sein Herz hörte.
    »Mathieu«, empfing ihn der König mit jenem seltenen Lächeln, das ihm schon in jungen Jahren den Beinamen le bel, der Schöne, eingetragen hatte.
    Inzwischen hatte der Monarch sein viertes Lebensjahrzehnt erreicht, und in den kinnlangen, braunen Locken zeigten sich die ersten grauen Haare. Zwei tiefe Falten zogen sich von den Nasenflügeln abwärts zu den Mundwinkeln, und seine Gestalt verriet, dass er gerne trank und tafelte. Insgesamt jedoch waren die Jahre ihm wohlgesinnt gewesen. Sie hatten dem 17-jährigen Prinzen, der im Jahre 1285 seinem Vater Philipp dem Kühnen auf dem Thron gefolgt war, Würde und Autorität geschenkt. »Mein König«, erwiderte der Graf und beugte das Knie vor seinem Souverän.
    »Ihr fragt Euch sicher, warum ich Euch in dieser Kammer so lange warten ließ«, begann der König und wandte sich dem großen Tisch zu. Auf der Platte befand sich ein solches Durcheinander von Dokumenten, Tintenfässern und den Resten einer späten Mahlzeit, dass man nur ahnen konnte, wie kunstvoll das eingelegte Elfenbeinmuster im schwarzen Ebenholz wirkte.
    »Ich glaube, Ihr habt einen Auftrag für mich, den Ihr erst noch mit Eurem Siegelbewahrer besprechen wolltet.«
    »In der Tat«, nickte der König zufrieden. »Da es schon spät ist, werde ich es kurz machen. Ihr müsst für mich nach Flandern reisen. Seid meine Augen und Ohren in Brügge.«
    »Um was zu hören und zu sehen, Sire?«
    Der König lachte kurz auf. Das war es, was er an Mathieu von Andrieu so schätzte. Die Fähigkeit, sofort zur Sache zu kommen und überflüssige Worte zu meiden. »Ihr sollt mir Klarheit über die weltlichen Verstrickungen verschaffen, die dem Beginenhof vom Weingarten immer häufiger zur Last gelegt werden. Magistrat, Kaufleute und Zünfte von Brügge führen in seltener Einigkeit Klage gegen die Gemeinschaft.«
    »Seit wann erregen Nächstenliebe und Frömmigkeit dermaßen Anstoß?«
    »Es geht weniger um diese löblichen Eigenschaften als um die Geschäftstüchtigkeit der Beginen. Sie färben ihre Wolle selbst, sie spinnen, weben und walken Tuche, die zum Besten gehören, was Brügge in den Handel bringt. Man wiegt ihre Waren in Gold auf«, erwiderte der König.
    »Das trifft nahezu auf alle Handelsgüter zu, die aus Flandern kommen. Die Pfeffersäcke wissen, was ihre Dienste wert sind.«
    »Mit dem feinen Unterschied, dass diese Herren für ihre Geschäfte Steuern an die Krone abführen müssen. Die Beginen hingegen genießen seit vielen Jahren das Privileg der Steuerfreiheit.«
    Die Verärgerung darüber war der Stimme des Königs anzumerken, obwohl er selbst diese Vergünstigung in der Vergangenheit gewährt hatte. Nicht ahnend, dass er in seiner Großzügigkeit auf eine sprudelnde Geldquelle verzichtete. Dabei hatte er seit seinem Regierungsantritt ein dichtes Netz von Steuern, Zöllen und Abgaben geschaffen, das auch auf Flandern ausgedehnt worden war. Die Sporenschlacht von Kortrijk mochten die Ritter Seiner Majestät verloren haben, der königliche Rechnungshof gewann seine Scharmützel zwischen Gent und Brügge. Er hatte die reichen Städte in festem Würgegriff und den Handel unter Kontrolle. Ein jedes Fuhrwerk, das Straßen, Brücken, Städte und Märkte passierte, musste Zoll entrichten, und bis zur gabelle, der Salzsteuer, rann ein steter Strom des Goldes in die unersättliche königliche Schatulle. »Man fragt sich in Brügge verständlicherweise,
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