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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer
Autoren: Marie Christen
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dem Tisch stand. Ein Kessel mit Öl blubberte vergessen über dem Feuer. Berthes Magen knurrte, aber ihre Furcht besiegte den Hunger. Sie lief mit den Kindern zur Seitenpforte, von dort waren es nur wenige Schritte zum großen Ziehbrunnen im Innenhof. Ob es möglich sein würde, die Burgkapelle, die sich nahe dem Torturm, unterhalb der Wehrgänge, befand, zu erreichen, würde sich erst dort zeigen.
    Rauchschwaden trieben ihnen entgegen, und die Mädchen begannen zu husten. Die hölzernen Wehrgänge, die Ställe und der Heuschober brannten, aus dem Zwinger gellte das panische Kläffen der Jagdmeute. Der Lärm des Kampfes klang beunruhigend nahe, und Berthe hastete mit den Kindern durch Qualm und Hitze. Sie hatten eben die Pforte der schützenden Kapelle erreicht, als brüllende Männer in den Innenhof drängten.
    Würden sie das Gotteshaus respektieren? Sie zog eilends die Tür hinter sich zu und packte Violante an der Schulter. Sie wies mit dem Kinn zum Altar. »Dort ist die Wandtafel. Welchen Stein muss man bewegen?«
    Violante schluchzte in harten, abgehackten Stößen und gab keine Antwort. Sie machte Anstalten, wieder hinauszulaufen. »Wo ist Pucelle? Wir müssen ihn suchen.« Ysée teilte ihr Entsetzen. »Violante kann doch nicht ohne ihren Hund fortgehen, Mutter!«
    »Süßer Jesus, was ist das für ein Unsinn?« Berthe wagte nicht, Violante mit einem kräftigen Schlag zur Vernunft zu bringen, wie sie es bei Ysée getan hätte. Sie umfasste die Kinderschulter lediglich fester. »Die Tafel. Vorwärts.«
    Violante stemmte sich eigensinnig gegen den Griff und riss sich mit einem Ruck los. Sie rannte zur Tür, und Ysée folgte ihr augenblicklich. Sie wusste, dass Violante nichts auf Erden so liebte wie den kleinen Welpen Pucelle. Er war das einzige Hündchen, das die Kinder gerettet hatten, als ihr Vater den Wurf einer Jagdhündin ertränkt hatte, weil die Meute zu groß wurde.
    »Ysée!« Berthe fasste eben noch ein Stück des groben Wollkittels, den Ysée über einem Untergewand aus schlichtem Leinen trug. Der mürbe, oft gewaschene Stoff riss unter ihren Fingern. Ysée stürmte ihrer Gefährtin nach. Berthe stieß einen unterdrückten Fluch aus und eilte den Kindern hinterher. Draußen herrschte bereits ein solches Getümmel, dass sie entsetzt unter dem Türstock der Kapelle verharrte. »Courtenaaay!«
    Ein Ritter im schwarzen Harnisch, das Helmvisier der besseren Sicht wegen weit geöffnet, bahnte sich mit einem schwer bewaffneten Kriegertrupp seinen Weg durch den Hof. Vor Berthes Augen fielen die Männer von Courtenay unter ihren Schwertern. Sie hörte das metallische Dröhnen der Waffen, das Klirren der Rüstungen und die Schreie der verwundeten Männer, dann erspähte sie den Schimmer hellen Leinens zwischen Beinschienen und Reiterstiefeln.
    Violante kauerte weinend an der Mauer des Ziehbrunnens. Berthe verbot sich, sie zu rufen. Solange sie sich nicht rührte, war sie vielleicht in Sicherheit.
    »Stell dich, Courtenay«, brüllte der Ritter mit dem offenen Visier. Die Magd musste hilflos mit ansehen, wie die Kämpfenden für Thomas von Courtenay eine Gasse bildeten, bis sich die beiden Widersacher genau in Höhe des Ziehbrunnens gegenüberstanden.
    Der Herausforderer war jung. Kaum ein erwachsener Mann und kein Gegner für einen erfahrenen Ritter wie Thomas von Courtenay. Er spielte mit dem Jüngling, lockte ihn und trieb ihn dann mit mächtigen Hieben immer weiter auf den Brunnenrand zu. Schon rann Blut aus einem Riss im Kettenhemd seines Herausforderers, und der Brustpanzer hing zerbeult an den letzten Lederschlaufen.
    Erst jetzt entdeckte Berthe ihr einziges Kind. Unter Missachtung aller Gefahr versuchte Ysée zwischen den Männern, welche das tödliche Duell abschirmten, hindurchzuschlüpfen. In ihrem Übereifer rutschte sie jedoch im Schlamm vor dem Brunnen aus und prallte gegen einen der Ritter. Der erkannte, dass es sich nur um ein Kind handelte, und stieß Ysée mit einem mächtigen Fausthieb seiner eisenbewehrten Hand aus dem Weg. Der Schlag schleuderte sie gleich einer Lumpenpuppe exakt in die Bahn des Schwertes, das Thomas von Courtenay eben auf seinen strauchelnden Gegner niedersausen lassen wollte. Die Waffe traf Ysée statt des Jungen. Ihr Blut strömte über seine Beinschienen, als er sich zur Seite warf. Ein anderer Ritter nahm augenblicklich seinen Platz ein. Er nutzte im Bruchteil eines Herzschlages seine Chance, denn Thomas von Courtenay starrte abgelenkt auf die Bastardtochter, die zu
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