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Begierde

Begierde

Titel: Begierde
Autoren: Lilly Gruenberg
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schallend.
    Marc beeilte sich, sein Glas auszutrinken. Ihm reichte, was er erfahren hatte, mehr als er ertragen wollte. Er war froh, dass Vicky ihn nicht weiter nach seinem Privatleben fragte, so brauchte er nicht zu lügen, denn eine Freundin hatte er derzeit überhaupt nicht. Aber das ging Vicky nun wirklich nichts an.
    Marc winkte dem Ober, um zu bezahlen und kurz darauf verabschiedeten sich beide voneinander.

    In dieser Nacht lag Marc lange Zeit wach. Ohne dass er es wollte, ging Vicky ihm nicht mehr aus dem Kopf. Seine Augen taxierten ihr Gesicht, ihr Dekollete, ihre Figur, die schlanken Beine. Ihre meergrünen Augen erwiderten selbstsicher und frivol seinen Blick. Je länger er über ihre Unterhaltung nachdachte, desto mehr ärgerte er sich über ihr Verhalten. Hatte sie nur gepokert oder wäre sie wirklich für einen Blowjob unter den Tisch gekrochen? Ob sie wohl tatsächlich gut darin war? Er zuckte erschrocken zusammen. Was für ein Gedanke!
    Er sprang aus dem Bett und holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank. An Schlaf war nicht zu denken. Dabei war Vicky früher ein vollkommen unbescholtenes Geschöpf gewesen, ein ehrliches und natürliches Mädchen bis – er weigerte sich, den Gedanken zuende zu führen. Ohne Ziel wanderte er mit dem Bierglas in der Hand auf und ab. Das Ein-Zimmer-Appartement, das er bei seinen seltenen Besuchen in Frankfurt bewohnte, bot nur wenig mehr Ablenkung als Radio und Fernseher. Nun, er würde sowieso nicht lange bleiben. Noch ein paar Kundentermine in Frankfurt und Köln, dann ging es zurück nach Hause – nach Italien.

Vickys Jugendfreund
    Marc war gestresst. Den ganzen Tag über hatte er gebüffelt wie ein Wahnsinniger. Jetzt war sein Genick steif und in seinen Schläfen pochte es. Er rieb sich die Augen und sah dann auf die Uhr. Bereits Mitternacht vorbei. Er streckte die Arme in die Höhe und dehnte sich. Die Prüfung rückte unaufhaltsam näher. Noch zwei Wochen, dann würde sich zeigen, ob er genügend und das Richtige gelernt hatte. Mit diesem Diplom würde sich sein Traum erfüllen lassen, nach Italien zu gehen und dort seine kreativen Ideen zu Geld zu machen.
    Sein Handy vibrierte. Er schaute auf das Display und lächelte. Vicky. Niemals hätte er geglaubt, dass man eine Stiefschwester derart ins Herz schließen könnte. Aber Vickys unbeschwerte fröhliche Art war wohltuend.
Italien
. Er war hin und hergerissen zwischen seinem Wunsch, dort zu arbeiten, und dem Schmerz, Vicky zurückzulassen. Wenn sie mit der Schule fertig war, würde er sie zu sich holen.
    Als hätte er geahnt, dass sie genau jetzt ihre SMS schicken würde, hatte er im richtigen Augenblick aufgehört zu lernen. Die Info war knapp.
Bitte hol mich ab
.
    Marc knipste die Schreibtischlampe aus und rannte polternd die alte Holztreppe hinunter. Wieder einmal waren sie am Wochenende alleine. Manchmal würde er schon gerne wissen, wohin seine Eltern dauernd fuhren. Vielleicht hatten sie heimlich ein Wochenendhaus gemietet? Aber eigentlich war er froh, wenn er sie nicht sehen musste. Für das geile Herumgetue fand er nur ein Wort passend: ätzend.
    Er startete den alten Opel Escort, den ihm sein Patenonkel zum Führerschein geschenkt hatte. Nichts Besonderes und ganz gewiss nicht sein Traumauto, aber Patenonkel Peter hatte wenigstens Wort gehalten und ihm auch noch die Versicherung für das erste Jahr bezahlt, eine Aufgabe, die er eher von seinen Eltern erwartet hatte.
    Eltern
. Welch ein Hohn. Er hatte wohl irgendwelche Erzeuger. Aber Eltern? Es schien ihm, als sei das eine halbe Ewigkeit her. In dem Maße, wie das Interesse seines Vaters für seine Mutter abflaute und er sich mit Geliebten herumtrieb, schien auch das Interesse seiner eigenen Mutter an ihm, ihrem einzigen Kind nachzulassen. Als ob er an dem Zerbrechen ihrer Ehe schuld wäre. Natürlich hatte sie ihm erklärt, dass das eine nichts mit dem anderen zu tun hatte, dass sie einfach nur sehr unglücklich gewesen sei und sich deshalb vielleicht mehr zurückgezogen hatte, als für ihn als Kind verständlich war. Dennoch begriff Marc bis heute nicht, warum sie ihn beim Vater zurückgelassen hatte. Er war gar nicht um seine Meinung gefragt worden.
    Sobald er sich der Innenstadt näherte, wurde der Verkehr dichter. Samstagnacht schien die halbe Stadt unterwegs zu sein. Marc seufzte und drehte das Radio lauter. Mal wieder richtig unterwegs sein, Spaß haben – diese Sehnsucht wurde immer größer. Aber er hätte es sich niemals verziehen, wenn er sich
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