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Begierde

Begierde

Titel: Begierde
Autoren: Lilly Gruenberg
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die sie als Stewardess gearbeitet hatte, war verkauft und das Flugpersonal entlassen worden. Die Bewerbungen bei Konkurrenzunternehmen liefen noch ohne Rückmeldungen. Vicky hat nach ihrer sechsmonatigen Ausbildung zum Cabin Attendant nur gut eineinhalb Jahre für dieselbe Fluggesellschaft gearbeitet. Zudem bildete jedes Unternehmen seine Stewardessen nach eigenen Vorstellungen aus, sie würde also fast von vorne anfangen müssen und die Konkurrenz der Mitbewerberinnen war groß.
    »Der Tod deiner Mutter scheint dich ja relativ wenig zu berühren?«
    Für einen kurzen Augenblick verfinsterte sich Vickys Miene. »Du vergisst, dass sie schon vor drei Wochen gestorben ist. Ich hatte also genügend Zeit zum Tränen vergießen. Außerdem – du hast ja keine Ahnung. Seit ich mich entschieden habe, Stewardess zu werden, lag sie mir ständig in den Ohren, dass ich einen Fehler begehe und meine Talente vergeude.«
    Sie lachte kurz auf, nahm einen hastigen Schluck aus ihrem Glas, und Marc fiel auf, dass ihre Fingernägel sorgfältig manikürt und dunkelrot lackiert waren, mit einem Strasssteinchen in der Mitte.
    »Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte ich irgendetwas studieren sollen. Aber ich müsste doch verrückt sein, mir vier oder fünf Jahre noch mal nichts als Lernen anzutun. Das dauert ja dann eine halbe Ewigkeit, ehe ich endlich mal zu Geld komme, mir was leisten kann und vor allem auch was von der Welt sehe.« Sie schüttelte ihre Locken, als wollte sie ihre Worte durch diese Geste unterstreichen, und strich sich eine Strähne aus den Augen. »Nein, ich treffe inzwischen meine eigenen Entscheidungen. Es gibt soviel zu sehen und zu erleben, warum sollte ich warten, bis ich alt und grau bin? Wer garantiert mir denn einen Arbeitsplatz nach dem Studium?« Als wäre es nötig, sie zu bedauern, fügte sie noch hinzu: »Ein reicher Ehemann wäre natürlich die ideale Lösung.« Dann lächelte sie und Marc war sich nicht sicher, wie scherzhaft diese Bemerkung zu verstehen war oder ob sie ihrer Mutter nacheiferte.
    Vielleicht hatte er gehofft, eine andere Vicky zu treffen, als die, die er in Erinnerung behalten hatte. Aber sie hatte sich in ihrem Charakter nicht verändert.
    »Und, wie geht’s weiter?« Marc verstand Vickys Haltung nicht. Er wusste, dass sie intelligent war und eine schnelle Auffassungsgabe besaß. Außerdem hatte sie viel Talent für Sprachen. Sie hätte Dolmetscherin oder Auslandskorrespondentin oder dergleichen werden können. Ausnahmsweise musste er ihrer Mutter Recht geben. Vicky vergeudete tatsächlich ihr Potential. Ihre Mutter hatte es ihr pausenlos gepredigt, bereits als Marc noch zuhause gewohnt hatte.
Mach was aus dir, lerne, du bist klug
.
    Eigentlich interessierte ihn das alles schon gar nicht mehr. Es gab eine Zeit, da hatte er an eine Rückkehr zu alten Zeiten geglaubt und hätte sich aufrichtig gefreut, Vicky seine Schwester zu nennen. Trotz seiner mehr als brüderlichen Gefühle für sie. Aber es war vorbei.
    »Und nun? Wie glaubst du, geht’s weiter?«
    Mit einem schelmischen Grinsen neigte sie den Kopf zur Seite. »Es wird sich schon was finden. Mit der Erbschaft kann ich mich eine Weile über Wasser halten. Außerdem steht bestimmt bald ein Gespräch mit einem Personalchef an, vielleicht gelingt es mir, gleich den ersten um den Finger zu wickeln.« Sie leckte sich anzüglich über die Lippen und blinzelte ihn herausfordernd an.
    Marc schüttelte innerlich den Kopf über ihre unverfrorene Offenheit. Also Vitamin-B. Er verabscheute diese Variante, sein Ziel zu erreichen. Er hatte für seinen Erfolg gekämpft, immer. Zwölf, vierzehn Stunden am Tag, bis zum Umfallen gearbeitet, häufig auch am Wochenende. Wusste Vicky überhaupt, was arbeiten bedeutete? Zeit für Freundschaften oder gar keine langfristige Beziehung gab es für ihn kaum. Und eine Partnerin für die Art sexueller Beziehung, die ihm vorschwebte, zu finden, war sowieso alles andere als einfach.
    »Du solltest das Geld besser gewinnbringend für die Zukunft anlegen.«
    Vicky ging nicht darauf ein, sondern lenkte mit einem anderen Thema ab. Eine Weile plauderten sie noch über belangloses Zeug, verfielen in ein paar Momente der Erinnerung an gemeinsam verbrachte Ferien, vermieden aber beide – mehr oder weniger bewusst – das Thema Partnerschaft.
    Marc fiel wieder die Notiz ein. »Was stand eigentlich auf dem Zettel, den du dem Notar zugesteckt hast, als wir gegangen sind?«
    »Meine Handynummer«, erwiderte sie mit laszivem
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