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Begehrter Feind

Begehrter Feind

Titel: Begehrter Feind
Autoren: Catherine Kean
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kannst, kommen wir wieder und schmeißen dich eigenhändig aus dem Dorf. Wir dulden keine Diebe bei uns!« Dazu hatte der Bäcker das Gesicht verzogen, weil Dominic ihm ein blaues Auge verpasst hatte – als Vergeltung für den Kinnhaken, den er hatte einstecken müssen. Anschließend waren beide gegangen.
    Für einen kurzen Moment hoffte Dominic, dass es Gisela wäre, die da kam. Er fragte sich, was sie von seinem Schatz halten mochte und ob sie begriff, was er ihr damit hatte sagen wollen. Ihm fehlte das Gefühl des Stoffes auf seiner Haut, doch er hatte keine andere Möglichkeit gesehen, ihr zu beweisen, dass sie ihm trauen konnte.
    Dennoch könnte die Geste vergebens gewesen sein. Immerhin hatte Gisela ihn nicht vor lauter Freude über das Wiedersehen mit Küssen überhäuft, bei denen ihm die Knie weich wurden. Stattdessen hatte sie vorhin reagiert, als wollte sie ihn niemals wiedersehen – womit eher unwahrscheinlich war, dass sie noch einmal herkäme.
    Vor der Stalltür knirschten die Kiesel leise. Dominic nahm die Hand von seinen Rippen, stemmte sich an der Wand ab und richtete sich lautlos halb auf. Schmerz brannte in seiner rechten Seite. Er biss die Zähne zusammen, was sein angeschlagenes Kinn ihm übelnahm. Fast hätte er gestöhnt, doch er konnte es in letzter Sekunde unterdrücken. Dies war nicht der Zeitpunkt, um über körperliche Beschwerden nachzudenken.
    Seine Sicht war leicht verschwommen, und er schüttelte den Kopf, während er sich zwang, sich auf denjenigen zu konzentrieren, der da kam. Mit einer Hand griff er nach dem Messer in seinem Stiefel. Seine Finger umschlossen den kühlen Griff, und die dünne scharfe Klinge glänzte, als er sie hervorzog.
    Dann richtete er sich zur vollen Größe auf. Falls nötig, könnte er mit tödlicher Sicherheit angreifen. Das hatte er spätestens in dem Augenblick gelernt, als er schweißgebadet und mit blutigem Kettenhemd einem Feind gegenübergestanden und gewusst hatte, dass er nur eine Wahl hatte, wenn er überleben wollte.
    Trotzdem widerstrebte ihm die Vorstellung bis heute, ein anderes Leben auszulöschen. Sollte derjenige, der nun kam, allerdings vorhaben, ihn umzubringen, bliebe ihm wieder keine andere Wahl – genau wie auf dem Kreuzzug.
    Stroh raschelte.
    Jeden Moment würde der Herannahende neben den Heuballen auftauchen.
    Vorsichtig bewegte Dominic sich nach vorn, ohne auf seine Schmerzen zu achten, und horchte.
    Wartete.
    Eine Gestalt, die in einen Umhang gehüllt war, erschien. Sie hielt etwas in der Hand. Eine Waffe? »D…?«
    Bevor sein Verstand einsetzte, stürzte er los. Er sprang auf den Eindringling zu, rammte ihn gegen die Stallwand und hob sein Messer mit der Rechten, während er die Linke auf den Hals des Angreifers drückte. Erst jetzt fiel ihm auf, wie zart die Person im Vergleich zu den beiden Männern vorhin war.
    Etwas Hartes fiel ihm erst auf den Zeh, bevor es im Stroh landete.
    »Dominic!«, hauchte Gisela. Unter der Kapuze ihres Umhangs war ihr Gesicht weiß wie Schnee. Gleichzeitig fühlte Dominic die weiche Rundung ihrer Brüste unter dem Wollumhang, erkannte das goldene Haar und ihren süßen Duft.
    »Jesus!« Er nahm den Dolch herunter und trat zurück. »Entschuldige!«
    Sie öffnete den Mund, doch es kam kein Laut heraus.
    Der Angriff hatte ihn einiges an Kraft gekostet, von der er ohnehin nicht mehr allzu viel besaß. Er rang sich ein reumütiges Lächeln ab. »Wir sollten aufhören, uns unter solch verdrießlichen Umständen zu treffen, Gisela, sonst wird’s irgendwann gefährlich.«
    Sie hob eine zitternde Hand an ihre Lippen und starrte entgeistert auf den Dolch. Dann sah sie auf einmal aus, als wäre ihr schlecht, und ihre Finger wanderten zu ihrer rechten Brust.
    »Gisela?«, murmelte er.
    Sie schien ihn nicht zu hören, sondern starrte weiter auf das Messer, das offenbar eine furchtbare Faszination auf sie ausübte. Das Entsetzen auf ihrem Gesicht …
    »Gisela!«
    Immer noch wie in Trance presste sie die Hand auf ihren Umhang, als wollte sie eine Wundblutung stillen.
    Ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken. Nach der Schlacht hatte er Männer in einem ähnlichen Zustand erlebt: vollkommen überwältigt von den Grausamkeiten, die sie bezeugten, zogen sie sich ganz in sich selbst zurück. Und manche schafften es nie wieder, aus dem Nebel herauszufinden.
    Aber warum reagierte sie so? Schließlich hatte sie keinerlei Kriegserfahrung.
    Er bückte sich, um das Messer in die Scheide zurückzustecken.
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