Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Befohlenes Dasein

Befohlenes Dasein

Titel: Befohlenes Dasein
Autoren: J. E. Wells
Vom Netzwerk:
will durch einen lauten Ruf die Aufmerksamkeit der riesigen Bestie auf sich lenken.
    Der Tiger – wenn dieses gestreifte, gewaltige Ungeheuer diesen Namen überhaupt verdient – bleibt zehn Meter vor den beiden Forschern stehen und pendelt mit dem mächtigen Kopf hin und her. Er stößt einen röchelnden Laut aus und schmiegt sich mit dem gefleckten Körper eng an den Boden.
    „Achtung! Er will springen!“ raunt Gra-koh seinem Gefährten zu. „Gehen wir fünf Meter auseinander und greifen ihn von zwei Seiten an!“
    Das Raubtier verändert seine Lage, als es gewahrt, daß sich seine Beute geteilt hat. Mit einem schrillen Schrei stößt es sich vom Boden ab und fliegt durch die Luft, gerade auf Fellh zu, der sich zur Seite wirft. Im gleichen Augenblick tritt Gra-kohs Waffe in Tätigkeit. Ein nadelspitzer Strahl elektrisch geladener Protonen trifft das Untier in die Seite. Die Bestie wirft sich herum, doch da trifft sie ein zweiter Strahl von der anderen Seite. Laut aufheulend bricht der Tiger zusammen.
    Dann liegt der Tiger am Boden und rührt sich nicht mehr.
    Fellh und Gra-koh wenden sich wieder den Hüttenbewohnern zu.
    „Kommt heraus, ihr Männer!“ ruft Fellh. „Euer Feind ist tot! Zieht ihm das Fell vom Leib und bratet sein Fleisch! Oder will sich noch einer mit uns messen?“
    Es dauert eine ganze Weile, bis sich die erste Hüttenverschanzung löst und der Häuptling herausgekrochen kommt. Ängstlich setzt er einen Fuß vor den anderen. Als er drei Meter von Fellh entfernt ist, fällt er auf die Knie und hält flehend die Hände empor.
    „Bleibet bei uns, o tapfere Krieger!“ bittet der Häuptling. „Alle unsere Feinde werden zittern, und die wilden Bestien werden keines unserer Kinder zerfleischen. Unsere Frauen mögen euch das Lager bereiten und …“
    Was alles noch geschehen soll, erfahren Fellh und Gra-koh nicht mehr. Und alles, was sich um den toten Tiger herum befand, liegt platt auf dem Boden. Ein weiteres Wunder ist geschehen: die beiden Helden, die den Tiger töteten, sind spurlos verschwunden, als hätten sie sich in Luft aufgelöst.
     
    *
     
    Die beiden Professoren sind in ihren Stühlen erwacht, nachdem Kan Kamana das grüne Auge ausgelöscht hat. Sie sind erwacht und sehen sich erstaunt und noch völlig abwesend um. Dann erkennen sie endlich, wo sie sich befinden.
    Doch die Erinnerung an das vergangene Geschehen ist geblieben. Sie erheben sich schwankend.
    „Es ist ein Wunder, Freund Kamana“, sagt Fellh. „Du bist fürwahr ein großer Meister!“
    „Lobt mich nicht, liebe Kollegen“, erwidert Kan Kamana. „Es sind die ewigen Gesetze der Natur, die es zustande bringen. Es ist nur mein Werk, sie erkannt zu haben. So seid ihr also, ohne daß ihr es wolltet, zu tapferen Jägern geworden, die es mit den schlimmsten Bestien aufnehmen. Ich wollte bereits abschalten, als ich die Bestie springen sah, doch stellte ich auch fest, daß sie euch im Sprung nicht erreichen würde. So ließ ich euch den Ruhm, das Untier zu töten, was ihr ja auch fertiggebracht habt.“
    „Hätten Sie uns nicht die Protonenwaffen mitgegeben, so wären wir schlimm daran gewesen“, sagt Professor Fellh. „Wir sind Ihnen großen Dank schuldig, Kan Kamana!“
    Der Professor des Kidor steht am Okular und blickt auf den Bildschirm.
    „Sehen Sie sich Ihre eingeborenen Freunde an, liebe Kollegen. Jetzt machen sie sich über den Tiger her.“
    Wunder über Wunder, die sie hier erleben! Noch vor Sekunden befanden sie sich an jener Stelle, die sie jetzt im Okular sehen.
    „Haben Sie eigentlich gewußt, daß Sie von mir beobachtet wurden?“ fragt Kamana harmlos.
    „Nein, wir haben gar nicht daran gedacht“, antwortet Professor Gra-koh, „Wir wußten auch nicht, wie wir dorthin gekommen sind, wir haben auch keinen Gedanken darauf verschwendet. Wir unterhielten uns mit diesen Menschen, und jetzt erinnere ich mich, daß wir sogar deren Sprache fließend sprachen.“
    „Ja, im Unterbewußtsein ist das möglich“, nickt Kamana. „Aber es ist noch ein Manko in meiner Erfindung. Vielleicht wäre es besser, wenn der Betreffende wüßte, daß es nur eines Winkes bedürfte, ihn nach hier zurückzuholen.“
    „Man kann es von zwei Seiten auffassen“, meint Antonio Stia gleichmütig. „Meiner Meinung nach ist es weise eingerichtet, daß sich der Beteiligte ganz unbefangen verhält. Diese Unbefangenheit ist notwendig, um das Erleben echt zu gestalten.“
    „Das ist durchaus möglich“, pflichtet ihm Fellh bei.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher