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Ewig Böse

Ewig Böse

Titel: Ewig Böse
Autoren: Christopher Ransom
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    Dies ist keine Geistergeschichte.
    Aber auch eine solche hätte ich, wenn ich wollte, nach drei Jahren in seinen Diensten schreiben können, denn ich war der Schatten des Barden der Drogen, Serienkiller und Silikontitten, des Mannes, den Rolling Stone als Größten Rapper aller Zeiten titulierte, des lyrischen Genies, Geißel der Popkultur. Des Mannes, dem alle Kids nacheiferten oder mit dem sie schlicht und einfach eins sein wollten – Ghost. Der Geist.
    Natürlich gab es Zeiten, da durfte ich nicht mit hinter die Bühne, nicht unter dem samtenen Absperrband durchschlüpfen oder in der Stretch-Limo mit den getönten Scheiben Platz nehmen. Aber eine ausgesprochen saftige Insiderreportage wäre durchaus drin gewesen. Klatschspalten-Material, das mir zugeflüstert und zugetragen wurde. Gästehaus-Tratsch, Lamentos von lahmgefickten Twitter-Zicken, die im Selbstmitleid ersoffen, eine Dope-Oper in kleinen Häppchen. Ich könnte euch Geschichten erzählen, denn alle, seine Leibwächter, sein Trainer, sein Manager und sogar seine durchgeknallte Exfrau Drea-Jenna, alle haben sie ihre schmutzige Wäsche an der langen Leine zwischen meinen Ohren aufgehängt. Und auf die ein oder andere Art haben seine drei Persönlichkeiten – der Künstler namens Ghost, sein Alter Ego Koksa Schnee, und auch Nathaniel Eric Riverton, jener verängstigte weiße Junge aus St. Louis – mir alle Einlass in ihre Schattenwelt gewährt.
    Es war kein schöner Ort.
    Aber wenn ihr Zeitungen oder Zeitschriften lest oder MTV guckt oder euch in den letzten sieben Jahren mal für Popkultur interessiert habt, kennt ihr diese Geschichte sowieso schon …
    Fünf Multi-Platin-Alben, weltweit sechsundvierzig Millionen Mal verkauft, Tourneen durch zweiundzwanzig Länder, sieben Grammys, Sucht und Süchtelei, giftige Ehe, willige Groupies, Scheidung, Clubschlägereien und Schlägerclubs, Erste-Klasse-Absteigen, drei Mal Resozialisierung. Blutschwüre, Pulverdampf, Stürme im Blätterwald, Gerichtsverfahren, Mordversuche von und an Ghost, Prügeleien in Houston, Denver und Miami, die Opfer zugedröhnt und immer voll im Recht. Blondierungen, Tattoos, Poloshirts, dicke Uhren, Sneakers. Beats, Bass, Tempo. Reime, Spitt, Uppers, Downers, Roofies, Poppers und Schnee. Schüsse, Pillen, Magazine und Wurmlöcher. Hollywood-Filmsets und Scarlett-Starlets, Beinahe-Oscars, gebrochene Mütterherzen, Songtexte, Widmungen, Lobeshymnen, Kleingedrucktes, VIP -Räume, Koks-Träume, große Namen, Bullenwagen, Rennbahnen, Bandenkriege, Rekordeinnahmen und all die Exzesse, die Ghost zum Staatsfeind machten, und, für eine Weile, zur Nummer eins.
    Ja, ja. Aber meine Geschichte kennt ihr nicht. Was in gewisser Weise komisch ist. Denn ohne Ghost, seine Exzesse und Progresse, gäbe es gar keine Geschichte. Er hätte nie ein Double gebraucht, und ich, James Hastings, der mit einem dem seinen unheimlich ähnlichen genetischen Code zur Welt gekommen war, hätte etwas ganz anderes gemacht. Ich hätte mir nie das Haar mit Peroxid gebleicht und mich zu Halloween als Ghost verkleidet. Niemand hätte in jener Bar in jener Nacht gesagt O mein Gott, das ist er! Stacey hätte mich nicht gedrängt, mich an dem Songwettbewerb im Radio zu beteiligen. Ich wäre nie in der Lokalzeitung gelandet, später in den AP -Meldungen und schließlich in USA Todays jährlichem Feature über Prominenten-Doppelgänger, wo Ghosts Manager mich entdeckt hat. Ich hätte den eher traditionellen Weg eines angehenden Schauspielers einschlagen können, der Salatröllchen bei der chinesischen Kette P. F. Chang’s servierte und Heroin gegen den Alltagsblues nahm. Wenn ich nicht so getan hätte, als wäre ich ein anderer, hätte mich meine Freundin vielleicht nie verlassen, und wir wären gemeinsam einer freundlicheren Zukunft, überhaupt einer Zukunft, entgegengegangen. Wenn, wenn, wenn … Ich würde mit Freuden eine Heroinsucht gegen … das hier eintauschen.
    Aber Ghost brauchte ein Double, ich brauchte das Geld, und – es fällt mir schwer, das heute zuzugeben – es klang zu der Zeit nach einer Menge Spaß. Teil seiner Welt zu sein, mir einzubilden, dass seine Karriere meine Karriere war, sein Lebensstil mein Lebensstil. Ich fuhr voll darauf ab, und es fühlte sich gut an, mit diesem Blick angesehen zu werden, mit dem sie ihn ansahen, mit dieser Mischung aus Furcht, Lust, Begehren. Er brauchte mich nie dringender, als wenn er auf dem Gipfel war.
    Um die Wahrheit zu sagen, irgendwann hatte
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