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Bedenke Phlebas

Bedenke Phlebas

Titel: Bedenke Phlebas
Autoren: Ian Banks
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Zustand
nervöser Leichtfertigkeit, wie er manchmal solche
überfällt, die in einer lebensbedrohenden Situation nichts
weiter tun können als warten –, ob Weinen seinen Tod
beschleunigen würde. Theoretisch ja, wenn es auch praktisch
keine Rolle spielte. Aber dann fing dieser Satz an, in seinem Kopf
herumzurollen.
     
Die Jinmoti von Bozlen Zwei töten die Personen,
die, durch Erbfolge dazu bestimmt …
     
    Die Flüssigkeit, die er nur zu deutlich hören und
fühlen und riechen konnte – und wahrscheinlich hätte
er sie auch sehen können, wenn seine alles andere als normalen
Augen offengestanden hätten –, schwappte kurz nach oben und
berührte die Unterseite seiner Nase. Er spürte, daß
sie seine Nüstern blockierte, sie mit einem Gestank füllte,
der ihm den Magen umdrehte. Aber er schüttelte den Kopf,
versuchte, seinen Schädel noch weiter gegen die Steine zu
zwängen, und die scheußliche Brühe senkte sich. Er
schnaubte und vermochte wieder zu atmen.
    Jetzt dauerte es nicht mehr lange. Wieder überprüfte er
seine Handgelenke, aber es hatte keinen Sinn. Er hätte eine
weitere Stunde oder mehr gebraucht, und ihm blieben, wenn er
Glück hatte, noch Minuten.
    Die Trance löste sich sowieso auf. Er kehrte zu beinahe
vollständigem Bewußtsein zurück, als wolle sein
Gehirn seinen eigenen Tod, seine eigene Auslöschung voll und
ganz wahrnehmen. Er versuchte, an etwas Tiefgründiges zu denken
oder sein Leben blitzartig an sich vorüberziehen zu lassen oder
sich plötzlich an irgendeine alte Liebe, eine längst
vergessene Prophezeiung oder Vorahnung zu erinnern, doch da war
nichts, nur ein sinnloser Satz und das Gefühl, im Schmutz und
Abfall anderer Leute zu ertrinken.
    Ihr alten Schurken, dachte er. Einer ihrer wenigen
humoristischen oder originellen Züge war es, daß sie eine
elegante, ironische Todesart erfunden hatten. Als wie passend
mußten sie es empfinden, wenn sie ihre altersschwachen
Körper zu den Toiletten des Bankettsaales schleppten, daß
sie buchstäblich auf alle ihre Feinde schissen und sie auf diese
Weise töteten!
    Der Luftdruck stieg, und ein fernes, stöhnendes Grollen von
Flüssigkeit kündigte einen weiteren Sturzbach von oben an. Ihr gemeinen Schurken. Nun, ich hoffe, wenigstens du hältst
dein Versprechen, Balveda.
    Die Jinmoti von Bozlen Zwei töten die Personen, die, durch
Erbfolge dazu bestimmt… dachte ein Teil seines Gehirns,
während die Rohre in der Decke blubberten und der Abfall in die
warme Masse von Flüssigkeit spritzte, die die Zelle beinahe
füllte. Die Welle ging über sein Gesicht, fiel wieder
zurück, um seine Nase für eine Sekunde freizulassen und ihm
Zeit zu geben, eine Lunge voll Luft einzusaugen. Dann stieg die
Flüssigkeit sacht, berührte von neuem die Unterseite seiner
Nase und blieb dort.
    Er hielt den Atem an.
     
    Anfangs hatte es weh getan, als sie ihn aufgehängt hatten.
Sein ganzes Gewicht hing an seinen Händen, die, in engen
Lederbeuteln festgebunden, direkt über seinem Kopf mit dicken
Eisenschlingen an der Zellenwand festgeschraubt waren. Seine
zusammengebundenen Füße baumelten innerhalb eines
Eisenrohrs. Es war ebenfalls an der Wand befestigt, so daß es
ihm unmöglich war, etwas von seinem Gewicht auf Füße
und Knie zu verlagern und seine Beine um mehr als eine Handbreit von
der Wand weg oder nach links und rechts zu bewegen. Das Rohr endete
gleich oberhalb seiner Knie. Darüber versteckte nur ein
dünnes und schmutziges Lendentuch seine alte, schmuddelige
Nacktheit.
    Er hatte den Schmerz in seinen Handgelenken und Schultern
abgeschaltet, noch während die vier stämmigen Wächter,
zwei davon auf Leitern stehend, seine Fesseln sicherten. Trotzdem
hatte er im Hinterkopf dieses nagende Gefühl, daß er
eigentlich Schmerzen empfinden müsse. Dann war die
Oberfläche des Schmutzes in der kleinen Kloakenzelle gestiegen,
und es hatte langsam nachgelassen.
    Sobald die Wächter gegangen waren, hatte er sich in Trance
versetzt, obwohl er sich sagen mußte, daß es
wahrscheinlich hoffnungslos war. Es hatte nicht lange gedauert; die
Zellentür öffnete sich innerhalb von Minuten wieder, ein
metallener Laufsteg wurde von einem Wächter auf die feuchten
Steinplatten des Fußbodens gelegt, und vom Korridor fiel Licht
in die Dunkelheit. Er hatte die Wandlungstrance unterbrochen und sich
den Hals verrenkt, um zu sehen, wer sein Besucher war.
    Es erschien, einen kurzen Stab leuchtenden kalten Blaus in der
Hand, die gebeugte, graue Gestalt von
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