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Bedenke Phlebas

Bedenke Phlebas

Titel: Bedenke Phlebas
Autoren: Ian Banks
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Amahain-Frolk,
Sicherheitsminister für die Gerontokratie von Sorpen. Der alte
Mann lächelte ihm zu und nickte anerkennend. Dann sah er in den
Korridor zurück und winkte mit einer dünnen,
entfärbten Hand jemandem, der außerhalb der Zelle stand,
auf den kurzen Laufsteg zu treten und hereinzukommen. Der Gefangene
vermutete, es sei die Kultur-Agentin Balveda, und sie war es. Sie
schritt leichtfüßig über die metallene Planke, sah
sich langsam um und ließ den Blick auf ihm ruhen. Er
lächelte und rieb in dem Versuch, grüßend zu nicken,
die Ohren an den nackten Armen.
    »Balveda! Ich wußte doch, daß ich Sie wiedersehen
würde. Wollen Sie dem Gastgeber guten Tag sagen?« Er zwang
sich zu einem Grinsen. Offiziell war es sein Bankett; er war der
Gastgeber. Ein weiterer kleiner Scherz der Gerontokratie. Er hoffte,
seine Stimme habe keine Anzeichen von Furcht verraten.
    Perosteck Balveda, Agentin der Kultur, einen ganzen Kopf
größer als der alte Mann neben ihr und hinreißend
schön sogar in dem bleichen Glühen des blauen Leuchtstabs,
schüttelte langsam den schmalen, feingezeichneten Kopf. Ihr
kurzes schwarzes Haar lag wie ein Schatten auf ihrem
Schädel.
    »Nein«, sagte sie, »ich wollte Sie weder sehen noch
mich von Ihnen verabschieden.«
    »Sie haben mich an diesen Ort gebracht, Balveda«,
stellte er ruhig fest.
    »Ja, und hier gehörst du hin«, fiel Amahain-Frolk
ein und trat auf dem Laufsteg so weit vor, wie er es tun konnte, ohne
das Gleichgewicht zu verlieren und auf den nassen Fußboden
treten zu müssen. »Ich wollte, daß du erst gefoltert
würdest, aber Miss Balveda hier…« – der Minister
drehte den Kopf zu der Frau zurück, und seine hohe, kratzige
Stimme hallte in der Zelle wider – »bat für dich, Gott
allein weiß, warum. Aber es ist schon der Ort, an den du
gehörst, Mörder.« Er schüttelte den Stab gegen
den fast nackten Mann, der an der schmutzigen Wand der Zelle
hing.
    Balveda betrachtete ihre Füße, die unter dem Saum ihres
langen, trist-grauen Gewandes eben noch sichtbar waren. Ein runder
Anhänger, den sie an einer Kette um den Hals trug, glitzerte in
dem aus dem Korridor hereinfallenden Licht. Amahain-Frolk stand neben
ihr, hob den leuchtenden Stab und schielte an dem Gefangenen
hoch.
    »Wissen Sie, noch jetzt könnte ich beinahe
schwören, dort hänge Egratin. Ich kann…« –
er schüttelte den hageren, knochigen Kopf – »ich kann
kaum glauben, daß er es nicht ist, jedenfalls so lange nicht,
bis er den Mund öffnet. Mein Gott, diese Wandler sind furchtbar
gefährliche Kreaturen!« Er drehte das Gesicht Balveda zu.
Sie strich sich das Haar im Nacken glatt und blickte auf den alten
Mann nieder.
    »Sie sind außerdem ein altes und stolzes Volk,
Minister, und es sind nur noch sehr wenige von ihnen übrig. Darf
ich Sie noch ein einziges Mal bitten? Lassen Sie ihn am Leben.
Vielleicht ist er…«
    Der Gerontokrat schwenkte seine dünne und verkrümmte
Hand gegen sie; sein Gesicht verzerrte sich. »Nein! Sie
täten gut daran, Miss Balveda, nicht länger darum zu
bitten, daß dieser… dieser Meuchler, dieser
mörderische, verräterische… Spion verschont
werde. Glauben Sie, wir nehmen es leicht, daß er einen unserer
Außenwelt-Minister feige ermordet hat und als seine
Verkörperung aufgetreten ist? Welchen Schaden hätte
dieses… Ding anrichten können! Als wir es
festnahmen, starben zwei unserer Wächter, nur weil es sie gekratzt hatte! Ein weiterer ist fürs Leben blind,
nachdem dieses Monster ihm ins Auge spie! Aber…« –
verhöhnte Amahain-Frolk den an die Wand geketteten Mann –
»diese Zähne haben wir ausgezogen. Und seine Hände
sind so gefesselt, daß er sich nicht einmal selbst kratzen
kann.« Er wandte sich wieder an Balveda. »Sie sagen, es
sind wenige? Ich sage: Gut, bald wird noch einer weniger da
sein.« Der alte Mann sah die Frau mit zusammengekniffenen Augen
an. »Wir sind Ihnen und Ihren Leuten dankbar, daß Sie
diesen Betrüger und Mörder enttarnt haben, aber Sie
dürfen nicht glauben, das gebe Ihnen das Recht, uns Vorschriften
zu machen. Es gibt Personen in der Gerontokratie, die absolut nichts
mit Einflüssen von außen zu tun haben wollen, und ihre
Stimmen werden Tag für Tag lauter, je näher der Krieg uns
rückt. Sie täten gut daran, jene unter uns, die Ihre Sache
unterstützen, nicht gegen sich aufzubringen.«
    Balveda schürzte die Lippen, blickte von neuem auf ihre
Füße und verschränkte die schmalen Hände hinter
dem Rücken. Amahain-Frolk
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