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Bedenke Phlebas

Bedenke Phlebas

Titel: Bedenke Phlebas
Autoren: Ian Banks
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irgendeinen Schaden
zuzufügen.
    Deshalb zerstörte es sich selbst. Es ließ seinen Vorrat
an Gefechtsköpfen in einem plötzlichen Energieausbruch
detonieren, der eine Sekunde lang, nur im Hyperraum, den gelben
Zwergstern eines nahegelegenen Systems überstrahlte.
    In einem Muster um das Schiff verstreut, bildeten die Tausende
explodierender Gefechtsköpfe einen Augenblick, bevor das Schiff
selbst zu Plasma zerstäubte, eine sich schnell ausdehnende
Strahlungssphäre, aus der hinaus eine Flucht unmöglich
schien. Gegen Ende des Sekundenbruchteils, den die ganze
Kampfhandlung dauerte, gab es ein paar Millionstel, in denen die
Kampf-Computer der feindlichen Flotte kurz das vierdimensionale
Gewirr expandierender Strahlung analysierten und erkannten, daß
es einen einzigen verblüffend komplizierten und sehr
unwahrscheinlichen Weg aus den konzentrischen Kugeln eruptierender
Energien gab, die sich jetzt wie die Blätter einer riesigen
Blüte zwischen den Sternensystemen öffneten. Es war jedoch
keine Route, die das Gehirn eines kleinen, archaischen Kriegsschiffes
hätte planen und schaffen, und der es sodann hätte folgen
können.
    Zu dem Zeitpunkt, als festgestellt wurde, daß das Gehirn des
Schiffes genau diesen Pfad durch seinen Annihilierungsschirm genommen
hatte, konnte man es nicht mehr daran hindern, durch den Hyperraum
auf einen kleinen, kalten Planeten zuzufallen. Es war, von innen
gerechnet, der vierte der isolierten gelben Sonne des nahegelegenen
Systems.
    Ebenso war es zu spät, etwas gegen das Licht von den
explodierenden Gefechtsköpfen des Schiffes zu unternehmen. Es
war zu einem einfachen Code angeordnet worden, der das Schicksal des
Schiffes sowie das Wehrdienstverhältnis und die Position des
Gehirns beschrieb, lesbar für jeden, der das wesenlose Licht bei
seinem Lauf durch die Galaxis sah. Vielleicht am schlimmsten von
allem war – und hätte ihre Konstruktion es ihnen erlaubt,
dann hätten diese elektronischen Gehirne darauf mit
Bestürzung reagiert –, daß es sich bei dem Planeten,
auf den sich das Gehirn durch seinen Schirm aus Explosionen gerettet
hatte, nicht um einen handelte, den man einfach hätte angreifen
oder zerstören oder auf dem man auch nur hätte landen
können. Es war Schars Welt, nahe der Region leeren Raums
zwischen zwei galaktischen Armen, die man den ›Düsteren
Golf‹ nannte, und es war einer der verbotenen Planeten der
Toten.

 
     
ERSTER TEIL

----
     
     
Sorpen

Das Zeug war jetzt bis an seine Oberlippe gestiegen. Auch wenn er
den Kopf fest gegen die Steine der Zellenwand drückte, befand
sich seine Nase nur knapp über der Oberfläche. Er
würde seine Hände nicht mehr rechtzeitig freibekommen; er
würde ertrinken.
    In der Dunkelheit der Zelle, in dem Gestank und der Wärme,
während der Schweiß ihm über die Stirn lief, seine
Augen fest geschlossen waren und er ununterbrochen in Trance
verharrte, versuchte ein Teil seines Verstandes, sich an die
Vorstellung seines eigenen Todes zu gewöhnen. Aber wie ein
unsichtbares Insekt, das in einem stillen Raum herumsummt, war da
etwas anderes, etwas, das nicht weggehen wollte, das ihm nichts
nützte und ihn nur irritierte. Es war ein Satz, irrelevant und
sinnlos und so alt, daß er nicht mehr wußte, wo er ihn
gehört oder gelesen hatte, und er lief immerzu rundherum
über die Innenwand seines Kopfes wie eine Murmel in einem
Krug:
     
Die Jinmoti von Bozlen Zwei töten die Personen,
die, durch Erbfolge dazu bestimmt, den Ritualmord an der engeren
Familie des Jahreskönigs ausführen, indem sie sie in den
Tränen des kontinentalen Empathaur in seiner Traurigkeitszeit
ertränken.
     
    Zu einem bestimmten Zeitpunkt, kurz nachdem seine Qualen begonnen
hatten und er sich erst teilweise in Trance befand, hatte er sich
gefragt, was passieren würde, wenn er sich übergab. Das war
gewesen, als die Palastküche – vielleicht fünfzehn
oder sechzehn Stockwerke über ihm, wenn er richtig schätzte
– ihren Abfall das gewundene Netzwerk von Rohrleitungen
hinunterschickte, die in die Kloakenzelle führten. Die
gurgelnde, wässerige Masse hatte verfaulte Essensreste
losgerissen, die vom letzten Mal, als irgendein armer Teufel in
Schmutz und Abfall ertränkt worden war, übrig waren, und in
dem Augenblick hatte er befürchtet, er müsse erbrechen.
Fast war es tröstlich gewesen, als seine Berechnung ergab,
daß das für den Zeitpunkt seines Todes keinen Unterschied
bedeutete.
    Dann hatte er darüber nachgedacht – in diesem
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