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Bauernsalat

Bauernsalat

Titel: Bauernsalat
Autoren: Kathrin Heinrichs
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Elmars Mutter mit bebender Stimme.
    »Wer wußte denn überhaupt von dem Streit?«, wollte ich wissen.
    »Na, das hat eben auch die Wiegand mitgekriegt«, schimpfte Elmar. »Als sie zum Eierholen kam, habe ich mit Onkel Franz an der Stalltür gestanden. Er wollte mich schon wieder wegen des Futtermittels belabern. Immer wieder fing er damit an. Ich hab ihm gesagt, daß ich selbst weiß, was ich den Tieren gebe, da ist er dann laut schimpfend abgezogen und wollte weiter seine dämliche Regenrinne reparieren.«
    »Und Sie?«
    »Ich bin zum Füttern gegangen, was sonst? Ich bin erst wieder rausgekommen, als meine Mutter mich rief.«
    »Frau Wiegand hatte bei mir Eier gekauft und ist dann gegangen«, erklärte Elmars Mutter. »Ein paar Minuten später kam sie wieder ins Haus gestürzt und schrie, der Franz sei tot.«
    »Ich bin die ganze Zeit im Stall gewesen«, wiederholte Elmar patzig. »Und sonst war niemand auf dem Hof.«
    »Das würde ich an Ihrer Stelle nicht ganz so fest behaupten«, meinte Christoph Steinschulte. Er trat zur Tür herein und hatte offensichtlich den letzten Satz mit angehört. »Ihre Nachbarin Frau Wiegand bleibt bei ihrer Aussage, daß sie Stimmen gehört hat, und es gibt bislang keinerlei Anlaß zu der Annahme, daß die Zeugin falsch aussagt. Folglich müßten Sie eigentlich ein Interesse daran haben nachzuweisen, daß sich noch jemand anderes auf dem Hof befand. Ansonsten sind Sie nämlich unser Hauptverdächtiger.«
    Elmar verschränkte die Arme vor der Brust und schwieg trotzig. Seine Haltung verlieh ihm etwas von einem widerborstigen Kind. Gleichzeitig mußte ich mir eingestehen, daß Elmar ein sehr attraktiver Mann war.
    »Wir gehen den Nachmittag noch einmal durch«, bestimmte Christoph und ließ sich gemächlich auf einen Küchenstuhl fallen. »Sie sind damit einverstanden, daß Herr Jakobs im Zimmer bleibt?« Steinschulte deutete in meine Richtung.
    »Ich hab ja selbst bei Alexa angerufen«, grummelte Elmar, als wäre das eine Antwort.
    Dann ging alles von vorne los. Elmar erzählte, wie er den Nachmittag verbracht hatte, wer auf dem Hof gewesen war. Es wurden Uhrzeiten verglichen und Namen aufgeschrieben. Elmars Mutter bekam einmal einen Heulkrampf und bat, ob sie sich einen Augenblick zurückziehen könne.
    Immer wieder fragte Christoph nach Elmars Verhältnis zu seinem Onkel.
    »Warum sind Sie überhaupt der Hoferbe?«, wollte er wissen.
    Elmar verdrehte die Augen. »Jetzt fangen Sie auch noch damit an. Onkel Franz hatte keine Kinder. Deshalb war ich an der Reihe. Mein Vater war der Bruder und hat hier auf dem Hof mitgearbeitet.«
    »Frau Wiegand erwähnte, Ihr Onkel habe sehr wohl ein Kind – ein Adoptivkind.«
    »Das stimmt, aber der wollte von Landwirtschaft nichts wissen.«
    »Hat er trotzdem Erbansprüche?«
    »Nein – ja! Das ist ziemlich kompliziert.«
    »Hatten Sie deshalb häufiger Streit mit Ihrem Onkel?«
    »Ja, aber nicht nur. Ich hatte wegen allem möglichem Streit mit meinem Onkel. Wegen des Fütterns. Wegen der Familie, wegen – *
    Ja?«
    »Mein Onkel machte nichts lieber als streiten. Man konnte mit ihm einfach nicht klarkommen.«
    »Ist der Streit deshalb eskaliert?«
    »Nein, es war wie immer. Er hat mich angegriffen. Und ich habe Kontra gegeben.«
    »Aber Sie waren verärgert.«
    Elmars Gesicht glühte. Seine Augen sprühten vor Zorn. »Ich sag überhaupt nichts mehr. Sie –«
    »Ich habe Ihnen eine Frage gestellt!«
    »Sie wollen mir da etwas unterschieben. Ich habe Onkel Franz nicht umgebracht.« Elmars Stimme überschlug sich beinahe. In dem Moment kam Alexa herein. Vielmehr: Sie stürmte herein. An Christoph vorbei, an mir vorbei- in die Arme von Elmar Schulte-Vielhaber.
    »Elmar, geht’s dir gut?«
    »Alexa!« Elmar schossen die Tränen ins Gesicht. Er begann zu weinen. Ich hätte mich nicht überflüssiger fühlen können. Einige Sekunden später stand ich auf dem asphaltierten Hof unter dem Kastanienbaum. Der Boden war übersät mit Kastanien. Es gab eben keine Kinder, die die Früchte aufsammelten und damit bastelten. Ich schoß eine braune Kugel mit voller Wucht hinweg. »Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr« schoß es mir in den Sinn, »wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben.« Vielleicht wurde das ja bald was mit Kindern auf diesem Hof. Es war schließlich zu schade um die Kastanien.

3
    Es war meinem unbändigen Pflichtgefühl zu verdanken, daß ich nicht sofort nach Hause fuhr. Ich wollte erst nach Ommma und ihrer Schwester schauen.
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