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Bauernsalat

Bauernsalat

Titel: Bauernsalat
Autoren: Kathrin Heinrichs
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gefüllt waren.
    Wir hielten uns fest im Arm und ich sah über ihre Schulter hinweg in die herrliche Herbstlandschaft. Wir waren hier auf einer Anhöhe. In einiger Entfernung konnte man Elmars Hof und daneben das Dorf erkennen. Im Hintergrund bot ein Patchwork aus Braun- und Gelbtönen ein phantastisches Bild. Wälder und Wiesen, Äcker und Wege. Es war grandios.
    »Alexa, ich will dich nicht drängen, aber können wir nicht heiraten?«
    Alexa lächelte hämisch. »Aber das willst du hoffentlich nicht nur wegen Schwester Gertrudis? Ich meine, weil sie dann glücklicher wäre?«
    Ich legte Alexa lachend den Arm um die Schulter und ging mit ihr weiter.
    »Das will ich vor allem unseretwegen. Wegen uns Dreien, um genau zu sein.«
    »Das muß ich mir noch mal durch den Kopf gehen lassen. Ich meine, was bringst du denn so an Mitgift mit?«
    »Da hast du was falsch verstanden. Es sind in der Regel die Frauen, die etwas bieten müssen.«
    »Nicht im Sauerland. Hier muß der Mann drauflegen.«
    Wir gingen jetzt den Hügel hinunter auf das Dorf zu und bekamen freie Sicht auf die Schützenhalle, die auch in Renkhausen natürlich nicht fehlen durfte. Plötzlich rutschte Alexa von mir weg, ergriff meine Hand und führte mich zu einer Eiche, die an der Wegkreuzung stand.
    »Schau mal, das ist ein Wunderbaum. Jedenfalls haben wir den als Kinder immer so genannt.«
    Als wir uns näherten, sah ich, daß der Baum von innen ausgehöhlt war. Der Innenraum war so groß, daß bestimmt fünf Kinder darin Platz gefunden hätten.
    »Hier haben wir uns früher immer versteckt, der Baum hat so etwas Geheimnisvolles.«
    Alexa stieg in die Öffnung und zog mich hinterher. Innen war der Baum mit einer Flüssigkeit bestrichen, wahrscheinlich, um ihn vor Insekten zu schützen, die ihn sonst hemmungslos durchbohrt hätten. Für uns beide war es etwas eng. Aber Alexa hatte recht. Es hatte etwas Geheimnisvolles. Vorm Eingang segelte ein Laubblatt auf den Boden.
    »Da gibt’s doch dieses Gedicht«, sagte Alexa plötzlich. »Dieses Herbst-Gedicht von Rilke. Wie geht das noch? Warte mal, ich erinnere mich:

    Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
    Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
    wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
    und wird in den Alleen hin und her
    unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

    Fürchterlich melancholisch, dieses Gedicht.«
    »Es gibt noch eine andere Fassung«, phantasierte ich aus heiterem Himmel. »Sie ist erst vor kurzem in Rilkes Tagebüchern entdeckt worden und geht so:

    Wer jetzt kein Haus hat, baut sich eben eins.
    Wer jetzt zu zwein ist wird es lange bleiben,
    wird lachen, reden, Liebesbriefe schreiben
    und wird in den Alleen hin und her
    gemeinsam wandern, wenn die Blätter treiben.«

    »Hoffentlich wirst du dich niemals ändern«, sagte Alexa und sah mich lange an. »Und wenn doch, müßte ich dich trotzdem lieben.«
    Dann legte sie ihren Kopf an meine Schulter. In diesem Augenblick wußte ich, daß ich der glücklichste Mensch der Welt war.
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