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Bauernsalat

Bauernsalat

Titel: Bauernsalat
Autoren: Kathrin Heinrichs
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unbedarft wie ein junges Mädchen. »Der wird das Ding ja nicht ohne Grund abgeschlossen haben. Dauert’s noch lange?« Alexa schien nicht zu bemerken, wie ich bereits ins Schwitzen gekommen war.
    »Ich bin kein Mann roher Kräfte, sondern ein Mann des Geistes«, brabbelte ich, während sich Schweiß auf meiner Stirn sammelte.
    »Du bist ein Mann vieler Worte, würde ich eher sagen.«
    Knacks. Endlich brach das Schloß aus der Holztür heraus.
    »Ganz nebenbei ist das hier Sachbeschädigung«, wisperte ich. »Trotzdem toll, wie ich das gemacht hab, was?«
    »Mit dem Gerät hätte das auch meine Ommma gekonnt.« Alexa wußte schon, wie sie mich hochbringen konnte. Sie wartete nicht auf eine Antwort, sondern begann sofort, im Inneren des Schrankes herumzuwühlen.
    »Hast du schon seine Briefmarkensammlung gefunden?«, fragte ich, da mich eine Welle schwarzen Humors mittlerweile gänzlich erfaßt hatte. Meine schwangere Freundin und ich begingen gerade einen handfesten Einbruch. Meine Beamtenstelle konnte ich mittlerweile abschreiben, mein Ruf würde als solcher auf ewig verloren sein.
    »Schau mal hier!« Alexa hatte einen Ordner aufgeschlagen und blätterte aufgeregt darin herum. »Hab ich’s nicht gesagt? Zeitungsartikel zum Thema Schwarzmarkt, geschichtliche Untersuchungen, Stellungnahmen – eine ganze Mappe zu diesem Thema. Man kann so schlecht lesen. Machst du mal eben das Licht an?«
    »Bist du verrückt geworden?«, wisperte ich zurück. »Sollen wir draußen noch ein Schild anbringen: Bitte nicht stören. Hier wird gerade eingebrochen!?« Alexa hörte mich gar nicht.
    »Das gibt’s doch gar nicht. Hier ist ein Durchschlag eines Briefes an Schulte-Vielhaber. Eine Aufforderung, den Schmuck an Reineke zurückzugeben!«
    Ich beugte mich neugierig über Alexa. Tatsächlich, ein maschinengeschriebener Brief in verwaschen-blauer Schrift, wie man sie von veralteten Durchschlagsbögen kennt. Der Brief war vom Anfang des Jahres mit der Aufforderung, den Schmuck der Familie Reineke, der in den Jahren 1945 und 1946 unrechtmäßig den Besitzer gewechselt hat, gegen ein geringes Entgelt zurückzugeben.
    »Ist eine Antwort dabei?«, fragte ich flüsternd.
    »Nein, leider nicht«, Alexa blätterte weiter. »Aber das hätte mich auch gewundert Schulte-Vielhaber war nicht der Typ, der Briefe aufsetzte. Der klärte so was lieber von Mann zu Mann.«
    »Paß auf, wir nehmen diesen Ramsch jetzt mit und übergeben ihn Christoph Steinschulte«, sprach ich auf Alexa ein.
    »Kann der überhaupt lesen?«
    Ich warf Alexa einen vorwurfsvollen Blick zu.
    »Na gut, du hast ja recht«, willigte sie dann endlich ein. »Mehr können wir jetzt hier nicht machen. Ich guck nur mal eben, ob wir auch nichts übersehen haben.« Kurzerhand griff sie nach der Schreibtischlampe, knipste das Licht an und leuchtete damit das Innere des Schrankes aus wie mit einer Taschenlampe.
    »Was ist denn das hier?« Alexa hatte noch etwas Interessantes gefunden. Ungeduldig sah ich ihr über die Schulter. Sie holte eine kleine Blechkiste zutage, eine alte Plätzchendose, wie ich auf den ersten Blick erkannte.
    »Alles Fotos«, sagte Alexa, während sie den Stapel vergilbter schwarz-weißer Aufnahmen durch ihre Finger gleiten ließ. »Gustav Reinekes Vergangenheit, würde ich sagen.«
    »Das würde ich auch sagen!« Die Stimme kam von der Terrassentür her. Sie fuhr uns so sehr durch Mark und Bein, daß wir wie gelähmt waren. Reineke kam langsam auf uns zu, wie immer mit dem angeklemmten Hosenbein, in der rechten Hand hielt er eine Luftpumpe.
    »Was zum Teufel tun Sie da?« Aufgebracht kam Reineke auf seinen Schreibtisch zu.
    »Wir haben einen Blick auf Ihre Unterlagen geworfen«, sagte Alexa, die als erste ihre Stimme wiedergefunden hatte. »Herr Reineke, Sie haben Franz Schulte-Vielhaber umgebracht, aus Rache, weil er Ihnen nicht den Schmuck zurückgeben wollte, den Sie im Krieg gegen Nahrungsmittel eingetauscht haben. Geben Sie es doch zu!«
    »Was reden Sie denn da? Und wie können Sie sich erlauben, in mein Haus einzudringen und meinen Schreibtisch aufzubrechen?«
    Reineke und Alexa standen sich jetzt aufgebracht gegenüber. Schützend zog ich Alexa zu mir herüber.
    »Sie sind mit dem Fahrrad auf dem Hof gewesen, aber Sie sind nicht, wie von allen angenommen, über die Straße gefahren, sondern Sie haben den Feldweg genommen – eine phantastische Möglichkeit, um nach dem Mord in Windeseile ungesehen zu verschwinden.« Alexa kam jetzt richtig in Fahrt.
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