Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bauernjagd

Bauernjagd

Titel: Bauernjagd
Autoren: Stefan Holtkötter
Vom Netzwerk:
meine
Strumpfhose. Dann siehst du nicht ganz so billig aus.« Sie grinste und nahm sie
in den Arm. »Komm mit, sie liegt im Molkereiwagen.«
    Hambrock konnte Sophia unter den Gästen in der Halle nicht
entdecken, auch Clemens Röttger war nirgends zu sehen. Er dachte an den
Anschlag auf dem Maisfeld. Sie wird doch nicht … Eilig ging er zur Theke und sprach
eines der Mädchen aus der Nachbarschaft an, die sich inzwischen aufs Bierzapfen
verlegt hatten.
    »Ich suche Clemens Röttger. Wisst ihr, wo er ist?«
    »Keine Ahnung. Er wollte eigentlich nur die leeren Kuchenbleche ins
Haus bringen.« Sie wandte sich zu den anderen. »Habt ihr Clemens gesehen?«
    Doch die schüttelten nur die Köpfe.
    Hambrock drängte sich durch die Menge zum Ausgang. Er hoffte
inständig, dass er nicht zu spät kommen würde. Im Laufschritt eilte er über den
Hof. Die Tür des Wohnhauses war verschlossen, aus dem Innern drang kein Laut.
Er drückte vorsichtig die Klinke, schob die Tür langsam auf und trat ein. Er
lauschte. Auch hier drinnen war alles still. Er bereute, seine Dienstwaffe im
Tresor des Präsidiums gelassen zu haben. Nicht im Traum wäre er auf die Idee
gekommen, sie auf der Beerdigungsfeier zu vermissen. Unbewaffnet schlich er nun
über die Holzdielen. Er spähte durch die offenen Zimmertüren, bis er die
Küchentür erreicht hatte und der sonnendurchflutete Raum in sein Blickfeld
rückte.
    Clemens hockte am Küchentisch. Sein Kopf lag auf der Tischplatte, er
regte sich nicht. Über ihm Sophia, die Hambrock den Rücken zugewandt hielt.
Ihre schmalen Schultern bebten, ihr Atem ging schwer und stoßweise.
    Eine Sekunde lang glaubte Hambrock, er wäre zu spät gekommen. Doch
dann entdeckte er das lange Messer, das Sophia vor ihrem Körper hielt. Die
Klinge schwebte zitternd in der Luft, das Sonnenlicht blitzte auf dem blanken
Stahl. Sie starrte eindringlich auf Clemens’ Oberkörper, doch die Klinge schien
sich zu weigern einzudringen.
    Hambrock war mit zwei großen Schritten bei ihr. Er packte ihr
Handgelenk, zog sie zurück und verdrehte ihren Arm. Sophia stieß einen
überraschten Laut aus. Das Messer fiel scheppernd zu Boden. Sie stolperte
zurück, verlor das Gleichgewicht und donnerte gegen den alten Bauernschrank. In
der Vitrine klirrten die Gläser.
    Hambrock wandte sich Clemens zu. Er überprüfte seinen Puls, doch der
ging ruhig und gleichmäßig. Es gab keine Anzeichen für eine Verletzung. Im
Gegenteil, er wirkte so, als würde er einfach einen Mittagsschlaf machen. Auf
dem Tisch standen zwei Tassen mit Tee. Doch in der Tasse von Clemens schien mit
der Farbe etwas nicht zu stimmen.
    Er blickte auf und starrte Sophia ungläubig an. Sie hielt seinem
Blick stand, in ihrem Gesicht spiegelten sich Anmut und Würde. Sorgsam zupfte
sie ihre schwarze Strickjacke zurecht, dann strich sie sich eine Locke aus dem
Gesicht.
    Seine Stimme wurde hart. »Was hast du mit ihm gemacht?«
    Bedächtig zog sie ein Medizinfläschchen aus ihrer Strickjacke und
stellte es auf den Tisch. Es war ein starkes Schlafmittel. Hambrock zog sein
Handy hervor und wählte die Nummer des Notrufs. Dabei ließ er Sophia nicht aus
den Augen. Eine Frau meldete sich am anderen Ende.
    »Erster Kriminalhauptkommissar Hambrock«, sagte er. »Wir haben einen
Notfall. Bewusstlose Person, offenbar eine Überdosis Schlafmittel. Bitte
schicken Sie sofort einen Wagen. Erlenbrook-Kapelle 19.«
    Nachdem er die Verbindung beendet hatte, schenkte Sophia ihm ein
zerbrechliches Lächeln.
    »Das Schlafmittel ist gar nicht so stark. Er wird bald wieder
aufwachen.« Sie sah auf Clemens hinab. »Ich konnte es nicht. Ich konnte ihn
nicht töten.«
    Hambrock schwirrte der Kopf. Alles fühlte sich unwirklich an. Er
konnte nicht glauben, was er sah und hörte.
    »Ich habe ihn unter einem Vorwand dazu gebracht, dass er uns einen
Tee kocht«, fuhr Sophia fort. »Annika wird studieren gehen, habe ich gesagt,
und wir wissen nicht, wie wir die Studiengebühren aufbringen sollen. Er hat
natürlich angeboten, die Kosten zu übernehmen. Und dann ist er eingeschlafen.«
    »Du wolltest ihn töten. Wie die anderen auch.«
    »Ja. Aber ich konnte es nicht.« Sie nahm eine aufrechte Haltung ein.
»Nachdem Theodor verunglückt war, wurde Clemens für Annika so etwas wie ein
Ersatzvater. Es wäre selbstsüchtig von mir gewesen, ihn zu töten.«
    »Tante Sophia …« Er schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Ich habe mich schon gefragt, wie lange es dauern würde, bis du das
mit den Fingerabdrücken
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher