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Bauernjagd

Bauernjagd

Titel: Bauernjagd
Autoren: Stefan Holtkötter
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und näherte sich der Beifahrertür. Vielleicht befand sich
im Fahrerhäuschen etwas, das ihr Antwort auf ihre Fragen geben würde. Sie stieg
an der Tür hoch und lugte durchs Fenster.
    Was sie sah, war nackte Haut. Sich bewegende Körper. Arme, Beine,
einen mächtigen Rücken. Maritas Kopf tauchte auf, sie hatte die Augen
geschlossen, stöhnte und schlang ihre Arme um den nackten Rücken. Dann öffnete
sie die Augen, und ihr Blick traf den von Annika. Marita erstarrte. Dann formte
sie mit den Lippen ein Wort: »Kurze.«
    Annika sprang auf den Waldboden. In ihrer Verwirrung schlug sie die
falsche Richtung ein und lief in den Wald hinein. Die Tür des Wagens öffnete
sich.
    »Kurze!«, schrie Marita. »Warte!«
    Sie zwängte sich in ihre Hose und griff nach dem Blazer. Dann sprang
sie ebenfalls vom Lastwagen.
    »Annika! Jetzt warte doch!«
    Annika blieb zögernd stehen. Es wäre lächerlich gewesen,
wegzulaufen, auch wenn sie das am liebsten getan hätte. Sie drehte sich langsam
um und wartete darauf, dass ihre Schwester sie einholte.
    Clemens Röttger versicherte sich, dass in den Kannen noch
genügend Kaffee war, dann stapelte er die leeren Kuchenbleche übereinander und trug
sie zum Haus hinüber. Bald wäre die Feier zu Ende, und dann könnten sie sich
ans Aufräumen machen. Und er könnte endlich in Ruhe mit Gabriele sprechen. Er
war sich nicht sicher, ob er sie in der vergangenen Nacht überzeugt hatte.
    Die Haustür stand sperrangelweit offen. Das ärgerte ihn, die Fliegen
konnten so ins Haus gelangen. Nachdem er eingetreten war, warf er sie mit dem
Ellbogen ins Schloss. Dann steuerte er mit einem Seufzer die Küche an. In der
Tür blieb er verdutzt stehen. An seinem Küchentisch saß reglos eine Gestalt.
Als er sie erkannte, trat er verwundert näher und stellte die Bleche auf der
Anrichte ab.
    »Was machst du denn hier?«, fragte er.
    Sie lächelte. »Ich habe auf dich gewartet.«

23
    Heike war noch immer nicht zurückgekehrt, dabei wollte sie
doch nur ihr Handy aus dem Wagen holen. Hambrock steuerte den Ausgang an. Die
strenge Tischordnung hatte sich inzwischen aufgelöst, die Bauern drängten sich
um die Stehtische. Bier und Korn wurden ausgeschenkt, trotzdem blieben die
Gesichter ernst und die Gespräche gedämpft. Hambrock bahnte sich einen Weg
durch die Menge. Sein Handy klingelte. Er zog es aus der Tasche, sah sich um
und stellte sich in die Ecke hinter dem Kuchentisch, dem einzigen Ort in der
Halle, an dem er ungestört war.
    Es war Guido Gratczek, der aus Steinfurt anrief.
    »Gut, dass ich dich erreiche, Hambrock. Heike geht nicht an ihr
Handy, obwohl ich sie unbedingt anrufen sollte, sobald wir hier etwas
erfahren.«
    »Ihr Handy liegt im Auto. Was gibt es denn?«
    Er zögerte. »Wir haben die Vergleichsprobe gefunden, nach der wir
gesucht haben. Es steht nun fest, wessen Fingerabdrücke an den Tatorten
gefunden wurden.«
    »Ja, und weiter? Spann mich nicht auf die Folter.«
    Am anderen Ende wurde es still. Hambrock glaubte bereits, die
Verbindung sei unterbrochen, doch da räusperte sich Guido Gratzeck.
    »Es ist Sophia Horstkemper«, sagte er.
    Hambrock glaubte sich verhört zu haben. »Wie bitte?«
    »Es tut mir leid, Hambrock.«
    Die Gespräche in der Halle gingen unverändert weiter. Die Menschen,
das Licht, die Farben, alles begann sich vor seinen Augen zu drehen.
    »Das kann nicht sein.«
    »Es gibt aber keinen Zweifel. Ihre Fingerabdrücke waren an den
Stahlschrauben im Maisfeld und am Geländer der Biogasanlage.«
    Tante Sophia. Diese sanfte und wunderschöne Frau.
    In Gedanken suchte er nach einem Ausweg. Es musste eine einfache
Erklärung dafür geben. Vielleicht war sie nur zufällig an den Tatorten gewesen.
    »Bist du noch dran, Hambrock?«
    »Ja. Ja, natürlich.«
    »Die Einsatzkräfte sind bereits auf dem Weg zu euch. Du musst … du
musst sie festnehmen. Die Kollegen werden gleich eintreffen, du sollst sie
ihnen übergeben.«
    »Ich habe verstanden.«
    »Es tut mir leid, Hambrock«, sagte er noch einmal, dann beendete er
das Gespräch.
    Hambrock ließ das Handy in seine Jackentasche gleiten. Er blickte
sich um. Am Familientisch der Horstkempers saß nur noch Tante Ada. Sie wirkte
müde und abgekämpft. Vor ihr auf dem Tisch stand ein unangerührtes Stück
Streuselkuchen. Sie ließ die Kuchengabel in der Luft kreisen und starrte ins
Nichts.
    Hambrock zögerte. Er wollte nicht zu ihr an den Tisch und nach
Sophia fragen. Sie würde darauf bestehen zu erfahren, was es so Wichtiges
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