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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit
Autoren: Heinrich Steinfest
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abgefeuerten Schuß dem schreienden Nils Klinger vor Nase und Mund hielt und diesen solcherart in einen erlösenden Dämmerzustand versetzte. Sodann feuerte er noch zwei Mal, steckte die Waffe wieder ein und verließ, ohne sich noch einmal umgesehen zu haben, das Zimmer.
    Gewöhnung ist Gift. Wenn man einmal zu töten beginnt, sei ’s auch nur im Dienst des Vaterlands oder zum Nutzen eines prachtvollen Gewächshauses, fällt eine Schranke, ein Hemmnis, eine Grenze.
    Marlene Dietrich, Fellbergs Geschiedene, hatte ihn aufgesucht gehabt. Das tat sie hin und wieder. Wohl aus Bosheit. Oder Langeweile. Vielleicht, weil sie Blumen mochte. Wie auch immer, es schien, als sei ihr bei diesem unangemeldeten Besuch die Liste mit den Namen der fünf Schauspieler ins Auge gestochen, eine Liste, die Fellberg mit der Gelassenheit des hoffnungslos in seine Bestimmungen verstrickten Menschen auf dem Schreibtisch hatte liegen lassen. Es war nach dem dritten Mord gewesen. Hernach hatte Marlene der Polizei den Tipp gegeben, ohne sich selbst ins Spiel zu bringen, hatte Oberstleutnant Straka nach Großjedlersdorf gelockt. So war ihm, Fellberg, nichts anderes übrig geblieben, als zuerst Straka außer Gefecht zu setzen und sodann Marlene wegen ihrer dummen Schwätzerei, ihrer eitlen Bösartigkeit aus dem Verkehr zu ziehen. Nicht, weil ihn die Vorstellung geschreckt hatte, man könnte ihm auf die Schliche kommen. Vielmehr hatte ihn jener Trieb erfaßt, welcher darin besteht, die Kettenreaktion unglücklicher Fügungen so lange als möglich fortzuführen. So lange zu rennen, bis man stürzt. Darum auch hatte er diesen einarmigen Chinesen überwältigt und hinunter zu Straka gesperrt, ohne eigentlich sagen zu können, ob Straka, der scheinbar an irgendeinem Herzleiden oder Lungenleiden laborierte und sicher ärztliche Hilfe benötigt hätte, ob der da überhaupt noch am Leben gewesen war.
    Nun, jetzt war es fast vorbei. Sein Auftrag beinahe zur Gänze erfüllt.
    Draußen setzte sich Fellberg auf eine Parkbank. Er war jetzt wirklich alt geworden, so wie man sagt über Nacht . Das Licht blendete ihn, doch er fühlte sich zu schwach, in den Schatten hinüberzuwechseln. Er empfand die pralle Sonne als Gift, als eine Überdosis von etwas an sich Gutem. In dieser Überdosis steckte er hilflos und verwelkte ein wenig.
    Aber noch war er nicht am Ende angelangt.
     

Zweiundzwanzigstes Bild:
Als Cheng der Wolke die Zunge zeigte
    Sie hatten acht Zigaretten, aber bloß noch zwei Streichhölzer. Nun, zur Not, meinte Cheng spöttisch, könnte man die restlichen Zigaretten ja mit Strakas Dienstwaffe in Brand schießen. Denn wie sich herausgestellt hatte – es war Straka längst entfallen gewesen –, hatte Fellberg dem Oberstleutnant seine Waffe gelassen. Eine Geste? Hatte er Straka die Möglichkeit geben wollen, anstatt hier unten langsam zugrunde zu gehen, sich selbst ein Ende zu bereiten? Gut, für viel mehr schien das Ding unter den gegebenen Verhältnissen auch nicht zu taugen. Ein Schuß auf das Schloß der Stahltüre war ohne Erfolg geblieben. Und in die dicken Wände hineinzuballern, lohnte ebensowenig. Man konnte diese Wände nicht umschießen, welche ja bloß das Erdreich begrenzten, in das der steinerne Pool eingesetzt worden war, offensichtlich wie das ganze Gewächshaus ein historisches Element, ein barockes Bassin mit einer gruftartigen Unterhöhlung.
    Cheng hatte noch immer Strakas Kopf auf seinen Schenkeln. Viele Stunden waren vergangen. Strakas Atem war ein kleines Loch, ein Loch, das immer mehr in Gefahr geriet, in sich zusammenzufallen.
    Überhaupt der Sauerstoff! Zwar drang durch die Ritzen der metallenen Türe ein wenig Luft, aber es war eine gebrechliche Luft, die sich kaum auf den Beinen hielt. Nein, Belüftung war etwas anderes. Das einzige, was man hier unten nicht konnte, war verdursten, zumindest, wenn man die feuchten Wände ableckte oder die Stellen der Decke suchte, wo es tropfte. So gesehen wiederholte sich für Cheng jenes Erlebnis seiner Jugend, als er in einem madeirischen Levadaloch gefangen gewesen war.
    Cheng streichelte Straka über Stirn und Haare. Wie man es mit ganz alten Menschen macht, denen man sonst nichts Gutes mehr tun kann. Nur noch streicheln und reden, gleich, ob sie das Gesprochene nun verstehen oder nicht. Cheng erzählte von Batman, dem letzten Salzkrebschen in der Lerchenfelder Straße, erzählte von dessen machtvollem Überleben, das so unmittelbar in die Einsamkeit eines kleinen Aquariums geführt
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