Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo

Titel: Bartimäus 04 - Der Ring des Salomo
Autoren: Jonathan Stroud
Vom Netzwerk:
Kleingedruckte einer jeden Beschwörung enthält gewisse Klauseln, die es einem untersagen, dem betreffenden Herrn ein Leid anzutun. So lautet die eiserne Regel jeglicher Magie von Assur bis Abessinien. Seinen Herrn mittels schmeichelnder Worte oder schlichter Hinterlist ins Verderben zu locken, ist etwas ganz anderes, so wie man ja auch zuschlagen darf, wenn die Zauberer ihren Schutzkreis verlassen oder die Beschwörung vermasseln. Offene Angriffe sind allerdings ausgeschlossen. Man darf seinen Meister nicht berühren, es sei denn, man wird von ihm selbst ausdrücklich dazu aufgefordert. Was erfreulicherweise soeben geschehen war.
    Ich hob die goldene Schlange noch ein Stück höher und zog am Schwanz der Figur. Erwartungsgemäß hatte Naabash nicht gelogen, 10 und der Elementengeist 11 hatte im Gegensatz zu den mechanischen Fallen keineswegs unter dem Zahn der Zeit gelitten. Ein heller, sprudelnder Wasserstrahl schoss aus dem offenen Schlangenmaul und glitzerte im Licht des jungen Morgens.
    Da ich den Schlangenkopf rein zufällig auf den Zauberer gerichtet hielt, überbrückte der Strahl den Raum zwischen den Pentagrammen und traf den alten Knacker voll vor die Brust. Er wurde umgerissen und quer durchs Zimmer gespült. Das war schon für sich gesehen befriedigend, entscheidend war jedoch, dass der Alte sein Pentagramm verlassen hatte. Noch ehe er klitschnass auf dem Rücken landete, verflüchtigten sich meine Fesseln, und ich konnte mich frei bewegen.
    Das hübsche Mädchen ließ die Schlange fallen und trat aus dem Bannkreis. Der Zauberer schnappte zappelnd nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.
    Als das Mädchen an den Ziegentalgkerzen vorbeiging, erloschen sie eine nach der anderen. Ihr Fuß stieß gegen einen Kräutertiegel. Ein paar Rosmarinzweiglein landeten auf ihrer Haut, die sofort zischte und dampfte. Das Mädchen achtete nicht darauf. Seine großen dunklen Augen waren auf den Zauberer gerichtet, der mühsam den Kopf hob und mir entgegensah.
    Durchnässt und kurzatmig, wie er war, unternahm er noch einen letzten Versuch, sich zu wehren, und zeigte mit zitternder Hand auf mich. Er bewegte die Lippen und stieß stammelnd ein Wort hervor. Aus seinem Zeigefinger schnellte knisternd ein Substanzspeer. Das Mädchen hob beiläufig die Hand, die Blitze zerbarsten und prallten an den Wänden, dem Boden und der Zimmerdecke ab. Einer schoss aus dem Fenster und sauste in hohem Bogen ins Tal hinunter, wo er den Bauern einen gehörigen Schrecken einjagte.
    Das Mädchen ging weiter, baute sich vor dem Zauberer auf und streckte die Hände aus. Die Finger und die Fingernägel waren deutlich länger geworden.
    Der Alte blickte mich an. »Bartimäus…«
    »So heiße ich«, sagte ich. »Willst du aufstehen oder muss ich mich nach dir bücken?«
    Seine Antwort war unverständlich.
    Das hübsche Mädchen zuckte lässig die Achseln. Dann fletschte es die Zähne, stürzte sich mit einem Satz auf den Zauberer und erstickte alle sonstigen Laute, die er noch von sich gab.
     
    Die drei kleinen Wachkobolde trafen ein, als ich gerade fertig war. Womöglich hatte sie ein Aufruhr in den Ebenen angelockt. Mit großen Augen drängten sie sich auf dem Fenstersims und sahen staunend zu, wie sich die junge Frau schwerfällig erhob. Sie war jetzt allein im Zimmer. Ihre Augen glühten im Halbdunkel, als sie sich umdrehte.
    Die Kobolde schlugen Alarm, aber es war schon zu spät. Zwar hörte man eilig Schwingen rauschen und spitze Klauen sausend durch die Luft fahren, doch das hübsche Mädchen lächelte nur und verabschiedete sich winkend – von den Kobolden, von Jerusalem und von meinem jüngsten Sklavengastspiel auf Erden –, dann war es verschwunden.
    Das war das Ende des alten Zauberers. Wir hatten geraume Zeit zusammengearbeitet, aber seinen Namen hatte ich nie erfahren. Trotzdem erinnere ich mich seiner voller Zuneigung. Töricht, habgierig, unfähig und mausetot. Einen solchen Herrn und Meister lobe ich mir jederzeit!
     

 
     
     
     
     
    Teil Zwei
     

Salomo
     
    4
     
    K önig Salomo der Große von Israel, Hohepriester und Beschützer seines Volkes, beugte sich auf seinem Thron vor und legte die Stirn in vornehme Sorgenfalten. »Tot?«, sagte er und dann – nach einer unheilschwangeren Pause, in der vierhundertsiebenunddreißig Menschen in banger Erwartung das Herz stockte – etwas lauter: »Tot?«
    Die beiden Afriten, die in Gestalt goldmähniger Löwen vor seinem Thron kauerten, hoben die Köpfe und blickten ihn mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher