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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem
Autoren: Jonathan Stroud
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auch, dass du keinen einzigen Freund hast und ganz allein dastehst«, fuhr ich fort, »und dass deine Kollegen dich fürchten und dir übel wollen. Und wenn du allzu übermütig wirst, kriegt es irgendwann auch der Premierminister mit der Angst zu tun und findet einen Vorwand, dich aus dem Weg zu räumen. Aber was soll’s, wir haben alle unsere Sorgen.«
    Ich erntete einen Unheil verkündenden Blick. »Was für eine reizende Erkenntnis.«
    »Und nicht die Einzige. Aber wenn ich dich damit verschonen soll, kann ich dir nur raten, mich sofort zu entlassen. Die sechs Wochen sind um, ich habe meine Pflicht erfüllt. Mir tut schon die ganze Substanz weh und ich kann keine Dispersionsfarbe mehr sehen!«
    Er nickte knapp und erwiderte: »Also gut, dann löse ich mein Versprechen ein.«
    »Äh… wie bitte? Ach so. Ja klar.« Ich war ein wenig verdutzt. Ehrlich gesagt hatte ich mit dem üblichen Gerangel gerechnet, ehe er sich bereit erklärte, mich gehen zu lassen. Es ist wie auf einem orientalischen Basar: Feilschen gehört nun mal dazu. Aber vielleicht machte es meinem Herrn immer noch zu schaffen, dass er das Mädchen hintergangen hatte.
    Wie auch immer, er bat mich jedenfalls in sein Arbeitszimmer im zweiten Stock, das mit den gebräuchlichsten Pentagrammen und Utensilien ausgestattet war.
    Wir brachten die einleitende Zeremonie in eisigem Schweigen hinter uns.
    »Nur zu deiner Information«, sagte er gehässig, als ich in meinem Pentagramm stand, »du lässt mich hier nicht gänzlich vereinsamt zurück. Heute Abend gehe ich zum Beispiel ins Theater. Mein guter Freund Quentin Makepeace hat mich zur Galapremiere seines neuesten Werkes eingeladen.«
    »Hach, wie aufregend!«
    »Allerdings.« Er machte ein zufriedenes Gesicht, aber es fiel nicht besonders überzeugend aus. »So. Bist du bereit?«
    »Jawollja!« Ich salutierte. »Hiermit sage ich dem großen Zauberer John Mandrake Ade. Möge ihm ein langes Leben beschieden sein und möge er mich nie mehr beschwören. Ach übrigens… fällt dir nichts auf?«
    Er hielt mit erhobenen Armen und der Formel auf der Zunge inne. »Was denn?«
    »Ich habe nicht ›Nathanael‹ gesagt! Das liegt daran, dass du inzwischen für mich eher Mandrake bist. An den Nathanael von früher erinnert inzwischen kaum noch etwas.«
    »Sehr schön«, sagte er kurz angebunden. »Freut mich, dass du endlich Vernunft annimmst.« Er räusperte sich. »Also… Mach’s gut, Bartimäus.«
    »Mach’s gut.«
    Er rezitierte seine Formel und ich verschwand. Und kam nicht mehr dazu, ihn darauf hinzuweisen, dass er mich offenbar nicht richtig verstanden hatte.

Kitty
48
    Mrs Hyrnek hatte sich schon oben am Zoll verabschiedet, Kitty und Jakob gingen ohne sie zum Kai hinunter. Die Fähre würde gleich ablegen. Qualm quoll aus den Schornsteinen und eine steife Brise blähte die Segel. Die letzten Reisenden betraten die mit einem bunten Stoffsegel überdachte Gangway zum Heck, während weiter vorn ein Trupp Männer das Gepäck an Bord brachte. Am Himmel kreisten krächzende Möwen.
    Jakob trug einen dunkelbraunen Anzug und hatte den weißen, breitkrempigen Hut tief ins Gesicht gezogen. In der behandschuhten Hand hielt er einen kleinen Lederkoffer.
    »Hast du deine Papiere?«, fragte Kitty.
    »Hast du deine Papiere?«, fragte Kitty.
    »Zum zehnten Mal: ja!« Der Abschied von seiner Mutter war ihm nahe gegangen, deshalb reagierte er so gereizt.
    »Die Überfahrt dauert nicht lange«, sagte Kitty besänftigend. »Morgen bist du schon dort.«
    »Weiß ich.« Er zupfte an seiner Hutkrempe. »Glaubst du, die lassen mich rein?«
    »Na klar. Wir werden nicht gesucht. Der Pass ist eine reine Vorsichtsmaßnahme.«
    »Mhm. Aber mein Gesicht…«
    »Das fällt keinem Menschen auf, Jakob, ehrlich.«
    »Meinetwegen. Und du willst ganz bestimmt nicht…?«
    »Ich kann jederzeit nachkommen. Willst du dem Mann da hinten nicht deinen Koffer geben?«
    »Äh, doch.«
    »Dann geh hin. Ich warte hier.«
    Jakob zögerte nur kurz, dann marschierte er los. Kitty sah ihm nach, wie er sich seinen Weg durch die Menge bahnte, und war erleichtert, dass ihn niemand eines zweiten Blickes würdigte. Die Fähre tutete, eine Glocke bimmelte. Der Kai wimmelte vor geschäftigen Seeleuten, Gepäckträgern und Kaufleuten, die durcheinander liefen und letzte Anweisungen gaben; Briefe und Päckchen wechselten noch rasch den Besitzer. An Deck der Fähre standen die Passagiere mit vor Aufregung leuchtenden Gesichtern an der Reling und unterhielten sich
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