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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem
Autoren: Jonathan Stroud
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in einem Dutzend Sprachen. Männer und Frauen aus fernen Ländern, vom europäischen Festland, aus Afrika, Byzanz und dem Orient… Kittys Herz schlug schneller und sie seufzte sehnsüchtig. Wie gern wäre sie mitgefahren! Vielleicht ein andermal, vielleicht sogar schon bald… Aber erst hatte sie noch etwas anderes vor.
    An jenem furchtbaren Morgen hatten sie beide in der Buchdruckerei der Hyrneks Zuflucht gesucht. Jakobs Brüder hatten sie in einem unbenutzten Abstellraum hinter einer Druckmaschine versteckt. Hier, inmitten von Lärm und Ledergestank, hatte man Kittys Wunden versorgt und die beiden wieder aufgepäppelt. Gleichzeitig hatte sich Jakobs Familie auf die unvermeidlichen Folgen vorbereitet, auf Hausdurchsuchungen und Geldstrafen. Der erste Tag verging. Die Polizei kam nicht. Der Marsch des Golem durch London war in aller Munde, Duvalls Degradierung und die Beförderung des jungen Mandrake. Nur die beiden Flüchtigen, Kitty und Jakob, wurden mit keinem Wort erwähnt. Es gab weder Hausdurchsuchungen noch Vergeltungsmaßnahmen. Jeden Morgen trafen wie üblich die Aufträge der Zauberer ein. Es war höchst befremdlich. Man schien Kitty und Jakob einfach vergessen zu haben.
    Am folgenden Abend hielten sie in der kleinen Kammer Kriegsrat. Trotz der offenkundigen Gleichgültigkeit der Behörden befand die Familie, es sei für Jakob und Kitty zu riskant, sich noch länger in London aufzuhalten. Besonders Jakob mit seinem auffälligen Äußeren war gefährdet. Er konnte sich nicht ewig in der Druckerei verstecken, und selbst wenn, würden ihn Mandrake, seine Dämonen oder Kollegen irgendwann aufstöbern. Er musste sich in Sicherheit bringen, das war jedenfalls Mrs Hyrneks vehement und lautstark geäußerte Meinung.
    Als sie sich wieder beruhigt hatte, erhob sich ihr Mann und machte mit der schmauchenden Pfeife im Mund einen Vorschlag zur Güte. Das überragende handwerkliche Können der Familie habe es ihnen bereits erlaubt, sich an Tallow zu rächen, indem sie seine Bücher so präpariert hatten, dass er sich mittels seiner eigenen Zauberformeln ins Jenseits beförderte. Unterlagen wie Ausweise, Reisepässe und dergleichen zu fälschen, mit denen die beiden Jugendlichen unbehelligt das Land verlassen konnten, sei verglichen damit ein Kinderspiel. Drüben auf dem Kontinent würden Ableger des weit verzweigten Hyrnek-Clans, etwa in Oostende, Brügge oder Basel, sie mit offenen Armen aufnehmen.
    Dieser Vorschlag fand allgemeinen Beifall und Jakob erklärte sich sofort einverstanden. Er hatte keine Lust, noch einmal mit den Zauberern aneinander zu geraten. Kitty dagegen machte einen eher unschlüssigen Eindruck. »Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen«, sagte sie.
    Während sich Jakobs Brüder ans Fälschen der Dokumente machten und Mrs Hyrnek und Jakob für die Reise packten, blieb Kitty allein und grübelnd in der Abstellkammer sitzen. Zwei Tage überlegte sie hin und her, dann gab sie ihre Entscheidung bekannt. Sie würde Jakob nicht begleiten.
    Der weiße, breitkrempige Hut kam durchs Gedränge rasch auf sie zu. Jetzt lächelte Jakob, auch sein Gang wirkte gelöster. »Hast du deinen Koffer abgegeben?«, fragte Kitty.
    »Ja. Und du hattest Recht – der Mann hat mich kaum angesehen.«
    Er blickte erst zum Fallreep hinüber und dann auf seine Uhr. »O je, ich hab nur noch fünf Minuten. Ich geh lieber an Bord.«
    »Ja. Also dann… mach’s gut.«
    »Du auch… Hör mal, Kitty…«
    »Ja?«
    »Du weißt hoffentlich, dass ich dir echt dankbar bin, ich meine, dass du mich gerettet hast und so. Aber ehrlich gesagt… du bist ganz schön bescheuert.«
    »Danke für das Kompliment.«
    »Warum willst du unbedingt hier bleiben? Der Stadtrat von Brügge besteht aus Gewöhnlichen, Zauberei spielt dort so gut wie keine Rolle. Man kann sich kaum vorstellen, wie unbeschwert es sich dort lebt, hat mein Cousin gesagt. Es gibt Büchereien und Debattierklubs und so was, überall in der ganzen Stadt. Keine Ausgangssperre – stell dir das vor! Die Regierung hält sich die meiste Zeit im Hintergrund. Die Geschäfte gehen auch gut. Und falls du unbedingt weitermachen willst mit… mit deiner…« Er sah sich unauffällig um. »Mit deiner… du weißt schon… also mein Cousin hat gesagt, dass es auch gut organisierte Untergrundbewegungen gibt. Es wäre viel ungefährlicher für…«
    »Ich weiß.« Kitty vergrub die Hände in den Hosentaschen »Du hast ja Recht. Ihr habt alle Recht! Aber mir geht’s um was anderes. Ich
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