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Bankster

Bankster

Titel: Bankster
Autoren: Gudmundson
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schwindelig wurde und ich Galle ins Klo würgte. Daher suchte ich in der Tiefkühltruhe, wühlte lange herum, ohne ein entwischtes Eis vom letzten Sommer zu finden, selbst als ich das Fach komplett ausgeräumt und alles auf den Tisch gelegt hatte – aber die Kälte, die dort herausquoll und mir um die Beine strich, tat gut, und da sie nur bis zu den Knien kam, setzte ich mich auf den Boden. Am liebsten wäre ich ins unterste Fach der Tiefkühltruhe gekrochen und hätte dort geschlafen. Ich sah es mir eine Weile in leerem Zustand an, bis ich mich damit zufriedengab, nicht reinzupassen, noch schlechter als das ganze Essen auf dem Tisch. Es schien sich ausgedehnt zu haben, und als die Tiefkühltruhe bis oben vollgestopft war, lagen immer noch drei Tüten mit Mamas Blutwürsten auf dem Tisch.
    Und sie sind bis heute Morgen dort liegen geblieben. Ich bin durch ein Krächzen draußen auf dem Balkon aufgewacht, wenn ich nicht schon wach war – wahrscheinlich, denn der Ruf war nicht laut genug, um jemanden zu wecken. Ich stand schnell auf und ging ins Bücherzimmer, lugte zwischen den Vorhängen durch. Da stand ein Schwarzer auf dem Silbertablett. Er drehte den Kopf, sah zum Fenster. Als er mich bemerkte, schob er den Kopf nach vorne, schwenkte ihn hoch und runter und gab einen eleganteren Laut als ein Krächzen von sich. Ich verstand.
    Es kam mir vor, als hätte ich das Fohlen erst in der letzten Woche verfüttert, nicht schon vor einem knappen Monat. In den ersten Tagen danach haben sie regelmäßig auf dem Balkon vorbeigeschaut, und ich wollte ihnen ein paarmal etwas Gutes kaufen, habe es aber immer vergessen. Deshalb wusste ich genau, dass der Kühlschrank leer war, als ich ihn heute Morgen öffnete, aber als ich ihn gerade wieder schließen wollte, fiel mein Blick auf die in Magenhaut eingenähten Blutwürste. Die Pfütze, die sich darunter gebildet hatte, war schon eingedickt und Luft in die Tüten eingedrungen. Ich nahm sie trotzdem mit auf den Balkon. Der Rabe war nicht mehr da. Dem Tablett sah man das Draußensein an, angelaufen, zerkratzt und an einer Stelle ein schwarz-weißer Scheißfleck. Ich riss die Tüte auf und ließ die prallen Häute aufs Tablett gleiten. Sechs Stück, alle voll mit Blutwurst und vergammelter Luft. Sie lagen in zwei Reihen, mit genügend Platz dazwischen. Ich schaute zum Himmel, gab ein Jaulen von mir und ging wieder rein.
    Der, der das Essen bestellt hatte, tauchte schnell auf. Er sah sich die Würste flüchtig an, bevor er sich auf eine von ihnen stellte, sie mit dem Schnabel aufpickte und die grobe, schwärzliche Blutwurst in sich hinein schlang, die aus der Pelle quoll. Doch der Wurstschwall ließ schnell nach. Geschickt vergrößerte der Gast das Loch und steckte den Schnabel tief hinein. Er war hungrig. Von den Winterkadavern waren sicher längst nichts als Knochen übrig, Haut und Hufe, Klauen oder Krallen. Ich fing schon an zu glauben, dass nur noch er in diesem Revier übrig geblieben ist, die anderen die Stadt schon gegen eine tiefe Schlucht mit vielen Felsvorsprüngen eingetauscht hatten, als sie plötzlich wie späte Hochzeitsgäste auftauchten, unsanft auf dem Grill landeten, auf den Balkonboden oder das Tablett stürzten und sich sofort über die Würste hermachten. Sie zu zählen war kaum möglich, aber als keiner mehr dazukam, meinte ich, neun verschmierte Schnäbel zu sehen, kurz bevor auf der anderen Seite des Balkons eine Möwe mit harten Flügelschlägen auf dem Geländer landete. Die Spannung in mir wuchs, und ich sah instinktiv zum Himmel. Als mir klar wurde, dass das Gewimmel dort weder aus Papiermüll noch aus Plastikabfällen, sondern aus Möwen bestand, wurde ich richtig aufgeregt.
    Der Pionier bewegte sich sofort in Richtung Festschmaus. Die Raben würdigten ihn keines Blickes, hatten die Bedrohung aber sicher schon lange vor mir bemerkt. Als die Möwe den halben Weg zurückgelegt hatte, stieß ich mit der Nasenspitze gegen die eiskalte Fensterscheibe. Sie zögerte, bewegte sich nicht von der Stelle, während sie unentschlossen den Raben beim Fressen zusah, vielleicht versuchte sie auch, die Nahrungsmenge abzuschätzen. Sie wurde weniger, aber nicht mehr so schnell wie vorher. Da reckte sie den weißen Hals, öffnete den Schnabel und gab ein aufforderndes Lachen von sich. Bevor sie sich näher heranpirschte, wartete sie, bis ihre Kameraden im Sturzflug auf die Raben losgingen, die noch dichter zusammenrückten und weiterfraßen. Die Sturzflüge wurden immer
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