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Bankster

Bankster

Titel: Bankster
Autoren: Gudmundson
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dazu, obwohl ich dort allein und verlassen auf der Tanzfläche stand und das Gespenst neben mir fragte, ob es tanzt oder heiße Scheiße durch sein Hosenbein schüttelt. Ein Bruchstück, und an die Reaktion erinnere ich mich nicht. Beim nächsten Bruchstück stehe ich auf einem wenig vertrauenerweckenden Balkon unter Rauchern und schnorre mir eine Zigarette, beim darauffolgenden hat sich die Anordnung auf dem Balkon geändert, ich stehe dort mit einem glühenden Zigarillo und versuche, die Zitronenscheibe in meinem Glas zu fokussieren, während ich mich mit dem Mann unterhalte, der vor mir steht. Ich kann mich erstaunlich gut an ihn erinnern, an diesen bärtigen, steifen Kerl mit buschigen Augenbrauen in einem schwarzen Mantel, der mehr wie eine Kutte aussah, vielleicht, weil ich mich schlagartig nüchtern fühlte, als er sagte, dass er Theologe sei. Zumindest in Gedanken sehe ich sein Gesicht schärfer werden, als er mir von seiner Ausbildung erzählt, dieses unheimlich große, schwarz behaarte Gesicht, und ich sehe, wie es einen Zug vom Zigarillo nimmt und den undurchsichtigen Rauch zu mir runter pustet, und auch ich nahm einen Zug vom Zigarillo, das ich vermutlich kurz vorher von ihm bekommen hatte. Danach zerfällt meine Erinnerung zu Bruchstücken, zu bunt schimmerndem Glasstaub.
    Gestern war ich dann krank, wachte in einem Schwindelanfall auf und hörte die Musik und das Gerede in meinem Kopf nachhallen. Die Finger der rechten Hand hielten ein unsichtbares Glas, und sie fallen immer noch in diese Position zurück.
    Im Moment läuft hier ungewöhnliche Musik, eine dieser russischen Belagerungssinfonien, eindeutig Schlussszenenstimmung im Kaffeehaus, ein Alles-oder-nichts-Moment, Leben oder Tod, und ich habe den Drang, noch bevor die Musik aufhört und die Credit-Liste über den Bildschirm läuft, etwas tun zu müssen, um sie zu verdienen, irgendwas Entscheidendes, vielleicht das Buch in die Luft und den Stift auf den Boden zu pfeffern und dabei etwas über Freiheit und Solidarität zu rufen, bevor ich wieder nach draußen in den Nieselregen gehe.
    Karfreitag

    Helden sollten meiner Meinung nach nicht über Selbstbefriedigung reden. Ich werde es trotzdem tun, obwohl ich sicher der Held in diesem Buch bin, zumindest »der Held«. Es sei denn, Harpa ist der Held? Sie spielt jedenfalls die Hauptrolle, alles scheint sich um sie zu drehen. Wer oder was ist dann der Drache? Ich spüre, dass es einen Drachen gibt, den der Held besiegen muss. In jedem Buch gibt es einen Drachen, auch in dem, das ich im Winter gelesen und von dem ich nur noch die Masturbationsszene im Kopf habe: Mitten im Verlauf des Abendessens hat der Ehemann auf der Toilette alles um sich herum vergessen, seine Eier in die Nachtcreme seiner Frau getunkt und zufrieden gewichst, bevor er zurück zu den Gästen gegangen ist. Er war ein Held wie ich, nur dass ich allein war, als ich gegen zwei Uhr unter der Morgendusche stand und überlegte, gegen die Wandfliesen zu spritzen. Bevor ich Hand anlegte, dachte ich an Harpa – an ihre Abwesenheit – und fand plötzlich jegliches Wichsen zwecklos, denn es ging nicht darum, abends länger durchhalten zu können – höchstens vielleicht mich selbst.
    Und trotzdem habe ich losgelegt – mir einen runtergeholt. Es war außergewöhnlich gut. Danach stand ich unter dem breiten Wasserstrahl und habe tief eingeatmet, tiefer, als ich es gefühlt seit Ewigkeiten konnte.
    Auf einmal habe ich mich an eine Nacht hier im Schlafzimmer erinnert, hier im Bett. Es ist eine Erinnerung ohne Datum, es war recht hell im Zimmer, natürliche Helligkeit – ja, ganz sicher waren die Lampen und der Kronleuchter aus, es muss eine Sommernacht gewesen sein. Harpa war kurz davor, von hinten zu kommen, ließ die Arme auf der Matratze liegen und zog die Schultern zurück, die Schulterblätter und Rückenmuskeln traten hervor, der Rücken immer durchgedrückter, das Kreuz tiefer, anspornende Laute, sie warf ihren Kopf zurück, ließ ihn zwischen die Schultern fallen, legte ihre Hände aufs Kopfende und drückte sich höher, lange weiße Arme, dieser Körper, und plötzlich durchzuckte es uns … Diese Erinnerungsschleife habe ich immer wieder durch meinen Kopf gejagt, bis ich mit dem körperwarmen Strahl zusammenfloss.
    Ostersonntag

    Bei meinem Tarzankater vor ein paar Tagen habe ich mich nach einem Wassereis gesehnt. An kein anderes Nahrungsmittel konnte ich denken, ohne dass mir kalter Schweiß ausbrach, mir einige Minuten lang
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