Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bankster

Bankster

Titel: Bankster
Autoren: Gudmundson
Vom Netzwerk:
temperamentvoller und herausfordernder. Sie kamen von links angeflogen, segelten auf das Tablett zu, zogen scharf nach oben, sobald sie daran vorbei waren, und verschwanden als lärmende Möwenmasse hinter dem Dachvorsprung. Die Möwe auf dem Geländer war noch eine Flügellänge vom Tablett entfernt, als sich der Rabe, der ihr am nächsten war, blitzschnell umdrehte, Anlauf nahm, mit heiserem Kampfesschrei losflog und die Möwe mit sich vom Balkon riss. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und wartete darauf, sie weiter unten im Flug zu sehen, konnte aber wegen des Möwenhilfstrupps, der jetzt auf dem Geländer landete, nichts erkennen. Die Raben hörten auf zu fressen, koordinierten sich in Sekundenschnelle und griffen an. Die Möwen versuchten auszuweichen, mussten aber Federn lassen, bis sich mit einem dumpfen Knall und halbersticktem Geschrei Verstärkung vom Himmel aufs Schlachtfeld stürzte. Die Raben drehten sich mit ihren scharfen Schnäbeln um, und binnen weniger Augenblicke war der Luftraum vor dem Fenster von wildem Gekreische und schwarz-weißem Flügelschlagen erfüllt, aber nur einen kurzen Moment lang, dann hatten die Möwen gewonnen, die sich mit einem stotternden Geheule ereiferten, bevor sie sich als wilde Meute über das Tablett hermachten.
    Kurz darauf beobachtete ich zwei, die gemeinsam die letzte Pelle zerrissen und im Flug verschlangen. Fünf Unglücksvögel schleppten sich auf der Suche nach ein paar Resten vom Tablett über den Balkon. Sie waren zu spät gekommen, und ich konnte ihnen den wahnsinnigen Hunger an den Augen ablesen.
    Ostermontag

    Ich dachte immer, dass von jedem Baum ein Blatt zuletzt fallen würde – aber da stand ich unter dieser großen Eberesche, die noch nirgendwo Knospen hatte, nur das Moos auf der Rinde leuchtete schon, und überlegte, wo wohl das letzte Blatt gefallen ist. Die Äste wirkten leblos, selbst vor dem steingrauen Himmel.
    Und dann sah ich dieses eine, das übrig war, ein schwarzes zerfleddertes Blatt vom letzten Sommer. Es hing dicht am Stamm an einem armseligen, knorrigen Ast, bewegungslos, und ich musste meine Theorie zum letzten Blatt erweitern, musste die Ausnahme der Überwinterung an einem missratenen Stängel im Schutz eines breiten Stamms hinzufügen, und auch den Appell, dass jedem Blatt, das an seinem Stiel verrottet, runtergeholfen werden sollte.
    20/4 – Montag

    In letzter Zeit habe ich nichts gelesen, außer mich selbst. Einen der ungeöffneten Fensterumschläge habe ich als Lesezeichen und für Anmerkungen benutzt, wollte meine Eindrücke ganz am Ende in einem gut durchdachten Eintrag offenlegen, in diesem Eintrag – aber jetzt bin ich nicht mehr sicher, auf einmal möchte ich das Buch in der Zukunft lesen und es ganz unabhängig von mir selbst im Hier und Jetzt erleben können.
    Später
    In letzter Zeit habe ich kaum etwas anderes getan, als mich selbst zu suchen, irgendwo auf der Grenze zwischen Realität und Dichtung, wo sich mein Leben in den letzten Jahren abgespielt hatte. Und wahrscheinlich wird es sich auch weiterhin auf diesem Grad bewegen, das Leben – man versucht, sich eine prächtige Zukunft zu zimmern, tut aber nichts anderes, als seine marode Vergangenheit niederzureißen und alle Nägel rauszuziehen.
    Später
    Was ich am deutlichsten herausgelesen habe, war vieles von dem, was ich nicht aufgeschrieben, nicht getan habe. Das Bedauern ist weder edel noch aufbauend, es bezeugt eher kriminelle Unreife. Ich hätte mich zum Beispiel gerne an das Weihnachtsgeschenk hinterm Schlafsofa erinnert, als Harpa und ich im Bücherzimmer abwechselnd gepoppt und uns geliebt haben. Als ich auf dem kalten Boden saß und sie nackt auf dem ausgezogenen Sofa vor mir sah, die Landschaft auf dem blassen Körper und die Schatten, die er warf, in mich aufsog, da hätte ich mich an den Mantel erinnern müssen, ihn Harpa anziehen und sie bitten müssen, liegen zu bleiben.
    Trotzdem sehe ich das schwarze, gelockte Lamm auf ihrer Haut ganz deutlich vor mir. Dieses Bild ist sogar erschreckend scharf, ich habe es genossen, meine Hand auszustrecken und Harpa im Mantel zu streicheln, die Hand über das Schafsfell und weiter nach unten, über die schlanke Hüfte und die Pobacke, das Bein entlang übers angewinkelte Knie und die Wade gleiten zu lassen, so weit, wie ich von meinem Sitzplatz aus konnte, und in Gedanken kann ich aufstehen und sie bis runter zum Fuß streicheln, beide Füße, und ihre leicht salzigen Zehen und Fußsohlen küssen – aber das ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher